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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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dem Ellenbogen. Lori blickt entsetzt drein.
    Cesar lachte ungläubig. »Sie halten es für richtig, dass er uns angreift, aber wenn wir uns wehren, ist das falsch?«, fragte er. Lori wollte widersprechen. »Das wollen Sie nicht hören, oder?«, stellte Cesar fest und sprach in seiner Frustration den gesamten Raum an. »Das hier funktioniert nicht. Ich kann in diesem Fall nichts machen, denn die Besitzerin will mir nicht erlauben, mit dem Hund so umzugehen, wie man mit seinen Kindern umgehen würde. Für mich ist es am schwersten, wenn jemand den Hund seinen eigenen Kindern vorzieht. Das ist schwer. Ich liebe Hunde. Ich bin der Hundeflüsterer. Aber ich würde nie einen Hund über meine Kinder stellen.«
    Er schwieg. Er hatte genug gesagt. Es wurde ohnehin zu viel geredet. Menschen sagten »ich liebe dich«, doch mit ihren Berührungen drückten sie etwas ganz anderes aus. Sie sagten »ganz ruhig«, doch ihre Gesten waren nicht beruhigend. Sie sagten »ich bin deine Mutter« und umarmten einen Chihuahua, aber nicht ihr Fleisch und Blut. Tyler blickte betroffen drein. Lori rutschte nervös auf dem Sofa hin und her. Cesar wandte sich dem Hund zu und sagte: »Schhhh!« Und alle waren still.
    22. Mai 2006
Teil 2

Theorien, Prognosen und Diagnosen
    »Es war so, als würde man die Autobahn entlang fahren und dabei durch einen Strohhalm schauen.«
     

Offene Geheimnisse
Warum zu viel Information schädlich ist
1.
    Am Nachmittag des 23. Oktober 2006 saß Jeffrey Skilling mit blauem Anzug und Krawatte an einem Tisch eines Gerichtssaals in Houston, Texas. Er war 52 Jahre alt, doch er sah älter aus. Um ihn herum drängten sich seine acht Verteidiger. Draußen parkten in einer langen Reihe die Übertragungswagen der Fernsehsender.
    »Ich rufe die Verhandlung Vereinigte Staaten von Amerika gegen Jeffrey K. Skilling im Prozess Nummer H-04-25 auf«, begann Richter Simeon Lake. Dann sprach er den Angeklagten direkt an. »Mr. Skilling, Sie können nun Ihre Aussage machen und alles vortragen, was zu Ihrer Verteidigung dient.«
    Jeffrey Skilling erhob sich. Enron, das Energieunternehmen, das er groß gemacht hatte, war fünf Jahre zuvor in einem aufsehenerregenden Bankrott in sich zusammengefallen. Im Mai 2006 war Skilling von den Geschworenen des Betrugs schuldig gesprochen worden. Fast sein gesamter Privatbesitz war im Rahmen eines Vergleichs an einen Entschädigungsfonds für die früheren Aktienbesitzer übergeben worden.
    Skilling sprach stockend und unterbrach sich immer wieder. »Was die Reue angeht, Euer Ehren, ich kann mir nicht vorstellen, etwas mehr zu bereuen«, sagte er. Er habe Freunde gehabt, die gestorben seien, »alles gute Männer«. Doch er sei »in allen Punkten der Anklage unschuldig«. Er sprach zwei oder drei Minuten, dann nahm er wieder Platz.
    Der Richter rief Anne Beliveaux auf, die achtzehn Jahre lang als leitende Angestellte in der Steuerabteilung von Enron gearbeitet hatte.
    Sie war eine von achtzehn Zeugen, die bei der Anhörung vor der Verhängung des Strafmaßes befragt werden sollten.
    »Was würden Sie sagen, wenn Sie von 1 600 Dollar im Monat leben müssten, so wie ich«, fragte sie Skilling. Mit dem Bankrott von Enron hatte sie ihre Zusatzrente verloren. »Mr. Skilling, schuld daran ist nur die Gier, nichts als die Gier. Sie sollten sich schämen.«
    Der nächste Zeuge beschuldigte Skilling, er habe ein gesundes Unternehmen zugrunde gerichtet, und der dritte erklärte, durch das Fehlverhalten des Managements ruiniert worden zu sein. Eine weitere Zeugin griff Skilling direkt an. »Mr. Skilling hat bewiesen, dass er ein Lügner und Dieb ist«, verkündete eine Frau namens Dawn Powers Martin, die 22 Jahre lang bei Enron gearbeitet hatte. »Mr. Skilling hat mir und meiner Tochter unsere Pensionsträume genommen. Jetzt ist es an der Zeit, dass ihm seine Freiheit genommen wird.« Sie wandte sich an Skilling und sagte: »Während Sie Champagner trinken, müssen meine Tochter und ich Coupons ausschneiden und Reste essen!« Und so ging es in einem fort weiter.
    Schließlich forderte der Richter Skilling auf, sich zu erheben.
    »Die Beweise haben ergeben, dass der Angeklagte wiederholt Investoren und die Angestellten Enrons hinsichtlich verschiedener Aspekte des Geschäfts von Enron belogen hat«, verlas er. Ihm bliebe keine andere Wahl, als ein hartes Urteil zu fällen. Skilling erhalte eine Haftstrafe von 292 Monaten - 24 Jahren. Der Mann, dessen Unternehmen von Fortune als eines der »meistbewunderten«

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