Was der Hund sah
Clinton oder Ronald Reagan, deren Phrasierung großartig war. Anders George W. Bush. Während seiner Regierungserklärungen pendelte sein ganzer Körper hin und her wie ein Metronom, was vor dem Hintergrund der längsgestreiften amerikanische Flagge besonders schön zu erkennen war. »Jede seiner Bewegungen endete mit einem Blick auf einen ganz bestimmten Punkt im Publikum«, sagt Bradley. Dabei ahmt sie den Bush-Blick nach - die zusammengekniffenen Augen und den starren Blick, den er sich für besonders feierliche Momente aufhebt - und schwankt von einer Seite zur anderen. »Er wirkt ein bisschen zurückgeblieben.« Das Pendeln und der Blick erinnern sie an einen Jugendlichen. Wenn Beobachter Bush als einen Jungen beschreiben, der nicht erwachsen werden wolle, dann meinen sie unter anderem dies. Er bewegt sich wie ein Junge, was ja durchaus in Ordnung ist, doch anders als Reagan oder Clinton bewegt er sich auch dann noch wie ein Junge, wenn die Situation eine erwachsene Reaktion erfordert.
»Die meisten Menschen bewegen sich sehr undifferenziert«, erklärt Bradley. »Und dann gibt es Menschen, die eine Vorliebe für ganz bestimmte Bewegungen haben. Zum Beispiel mein Mann. Er ist Mr. Horizontal. Wenn er in einer Besprechung redet, lehnt er sich zurück und öffnet sich.« Sie lehnt sich zurück und breitet die Arme aus. »Die ganze Zeit. Zum Glück arbeitet er mit Leuten, die ihn verstehen.« Sie lacht. »Und was machen wir, wenn wir Leute wie Cesar begegnen? Wir geben ihnen eine eigene Fernsehsendung. Im Ernst. Wir belohnen sie. Wir fühlen uns zu ihnen hingezogen, weil wir uns darauf verlassen können, dass wir ihre Botschaft verstehen. Da bleibt nichts verborgen. Sie wirken vollkommen authentisch.«
4.
Schauen wir uns also noch einmal die Begegnung von Cesar und Jon- Bee an, nur diesmal ohne Ton. Cesar kommt in den Hof. Es ist nicht derselbe Cesar, der pfeift und sich bei 47 Hunden Aufmerksamkeit verschafft. Hier ist ein subtileres Vorgehen gefragt. »Sehen Sie seinen Gang? Er lässt die Hände sinken und führt sie eng am Körper.« Diesmal analysiert ihn Suzi Tortora, eine New Yorker Tanztherapeutin mit langen schwarzen Haaren und fließenden Bewegungen. »Er geht ganz aufrecht und hält die Beine direkt unter dem Oberkörper. Er nimmt keinen Raum ein. Und er geht langsam. Er kommuniziert dem Hund: ›Ich bin allein. Ich habe es nicht eilig. Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Hier bin ich. Du kannst mich spüren.‹« Cesar geht neben Jon- Bee in die Hocke. Seine Haltung ist symmetrisch, der Schwerpunkt unten. Er wirkt fest, als könne ihn nichts umwerfen, und vermittelt ein Gefühl der Ruhe.
JonBee beobachtet Cesar und windet sich nervös. Wenn er zu unruhig wird, korrigiert ihn Cesar, indem er an der Leine zieht. Da Cesar spricht und die Bewegung sehr subtil ist, kann man sie leicht übersehen. Stopp. Rücklauf. Start. »Sehen Sie, wie rhythmisch die Bewegung ist?«, fragt Tortora. »Er zieht, dann wartet er. Dann zieht er wieder und wartet wieder. Die Phrasierung ist perfekt. Der Hund ist verrückt, aber Cesar bringt Rhythmus rein. Aber es ist kein panischer Rhythmus, sondern ganz ruhig. Er gibt Zeit zum Streunen. Es ist kein Dauerfeuer, und keine lange Bewegung. Es ist eine schnelle, leichte Bewegung. Ich wette, ein Hund wie der hier, vor dem alle Angst haben, erlebt eine Menge Aggression. Aber hier ist keine Aggression zu spüren. Er verwendet seine Stärke, ohne aggressiv zu sein.«
Cesar kommt ins Wohnzimmer. Hier beginnt der Kampf. »Schauen Sie sich an, wie er mit dem Hund umgeht. Er lässt den Hund führen. Er gibt ihm Platz.« Cesar ist kein Polizist, der einen Angreifer zu Boden ringt. Er hält seinen Körper aufrecht und die Hand mit der Leine hoch über JonBee. Als JonBee sich dreht und windet, schnappt, springt und kämpft, bewegt sich Cesar mit ihm und bietet der Aggression einen lockeren Rahmen. Was auf den ersten Blick wirkt wie ein Kampf, ist keiner, denn Cesar kämpft nicht. Und JonBee? Kinderpsychologen sprechen von Regulation. Wenn man ein gesundes Baby einem lauten Geräusch aussetzt, dann lernt es irgendwann, auch bei diesem Lärm zu schlafen. Es gewöhnt sich daran: Zuerst empfindet es das Geräusch als störend, doch beim zweiten oder dritten Mal hat es gelernt, mit der Störung umzugehen und blendet sie einfach aus. Sie haben sich reguliert. Kinder, die einen Wutanfall bekommen, gelten als dysreguliert. Sie wurden irgendwie aus dem Lot gebracht und finden nicht wieder zurück.
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