Was der Hund sah
Röntgenaufnahme treffen, und die liefert in den seltensten Fällen genug Informationen.
3.
Dershaw hängte eine weitere Röntgenaufnahme in den Lichtkasten. Sie gehörte zu einer 48-jährigen Frau. Mammografien lassen die Dichte des Gewebes erkennen: Je dichter, desto stärker werden die Röntg en- strahlen absorbiert. Auf diese Weise entstehen die charakteristischen Schwarz-weiß-Muster der Aufnahme. Fettgewebe absorbiert kaum Strahlung und erscheint schwarz. Brustgewebe, vor allem das dichtere Brustgewebe jüngerer Frauen, erscheint auf den Bildern hellgrau oder weiß. Die Brust dieser Frau bestand im hinteren Bereich aus Fettgewebe, und im vorderen Bereich aus dem dichteren Drüsengewebe; die Aufnahme war beinahe schwarz und hatte nur um die Brustwarze herum eine dichte, weiße Wolke. In der schwarzen Region des Fettgewebes der linken Brust war deutlich ein weißer Fleck zu erkennen. »Dieses kleine, unregelmäßige Ding hier sieht aus wie ein Tumor«, sagte Dershaw. »Es hat einen Durchmesser von ungefähr fünf Millimetern.« Er besah sich die Aufnahme einen Moment lang. Das war eine Mammografie, wie sie sein sollte: Ein eindeutiges Problem, das gelöst werden musste. Dann nahm er einen Stift und zeigte auf die dicke Wolke neben dem Tumor. Die Wolke und der Tumor hatten exakt dieselbe Farbe. »Der Tumor ist nur erkennbar, weil er sich im Fettgewebe befindet. Wenn der Krebs im dichten Gewebe der Brust aufgetreten wäre, hätte man ihn nie erkannt, weil er genauso weiß ist wie das gesunde Gewebe. Wenn der Tumor hier drüben wäre, dann könnte er viermal so groß sein, und man würde ihn immer noch nicht sehen.«
Mehr noch, gerade die gefährlichsten Tumore werden von der Mammografie oft gar nicht erfasst. Ein Team unter der Leitung der Pathologin Peggy Porter analysierte 429 Fälle von Brustkrebs, die über einen Zeitraum von fünf Jahren von der Krankenhausgruppe Health Cooperative in Puget Sound diagnostiziert wurden. Davon waren 279 von der Mammografie erfasst worden, die Mehrzahl im Anfangsstadium. Die meisten Tumore waren klein und maßen weniger als zwei Zentimeter. Pathologen beurteilen die Aggressivität eines Tumors anhand der Geschwindigkeit der Zellteilung; die am Bildschirm erkannten Tumore galten in 70 Prozent der Fälle als wenig aggressiv. Es handelte sich damit um Tumore mit guten Behandlungschancen. »Die meisten Tumore entwickeln sich sehr, sehr langsam, und das sind auch diejenigen, die zur Kalkablagerung neigen«, erklärte die Hämatologin und Onkologin Leslie Laufman, die unlängst in die Brustkrebskommission des National Institute of Health berufen wurde. »Mammografien erfassen fast definitionsgemäß langsam wachsende Tumore.«
In Porters Untersuchung wurden 150 Krebsfälle nicht von der Mammografie erfasst. Bei einigen handelte es sich um Tumore, die auf der Mammografie unsichtbar waren, weil sie beispielsweise im dichten Gewebe versteckt waren. Diese Tumore traten bei Frauen auf, die sich regelmäßigen Mammografien unterzogen und denen man bei ihrem letzten Besuch zu Recht gesagt hatte, dass sie keinen Krebs hätten. Zwischen den Mammografien hatten sie oder ihr Arzt jedoch durch Tastuntersuchung einen Knoten entdeckt. Dieser »Intervallkrebs« war mit doppelt so großer Wahrscheinlichkeit bereits in Stadium drei und wuchs rasch: In 28 Prozent der Fälle hatte er sich bereits auf die Lymphknoten ausgebreitet, während dies nur bei 18 Prozent der am Bildschirm erkannten Tumore der Fall war. Diese Tumore waren so aggressiv, dass sie zwischen zwei Mammografien von nicht erkennbar zu erkennbar gewachsen waren.
Das Problem der Intervalltumore erklärt, warum die überwiegende Mehrheit aller Brustkrebsexperten darauf besteht, dass sich Frauen in der Risikogruppe von 50 bis 69 Jahren regelmäßig Mammografien unterziehen. Die Frauen in Porters Studie wurden alle drei Jahre geröntgt, und diese drei Jahre reichten aus, um einen Tumor entstehen zu lassen. Dieses Phänomen erklärt, warum Brustkrebsexperten raten, Mammografien durch regelmäßige und gründliche klinische Untersuchungen zu ergänzen. Eine Studie zur Effektivität der Mammografie, die in den achtziger Jahren in Kanada durchgeführt wurde, verglich Frauen, die regelmäßig gründliche Tastuntersuchungen, aber keine Mammografien erhielten, und Frauen, die beiden Untersuchungen unterzogen wurden; die Sterberate an Brustkrebs war in beiden Gruppen dieselbe. Diese Untersuchung ist kontrovers, und viele Experten sind überzeugt,
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