Was der Nachtwind verspricht
übervölkerte Stadt schon nicht gefallen, als ich das erste Mal hier war. Ich mag sie immer noch nicht. Wir werden sofort abreisen.«
»Nein, das werden wir nicht tun. Meine Freunde ...«
»... dürften inzwischen nach etwas gutem Zureden schon an Bord sein.«
»Du treibst es zu weit, Petroff.«
»Liebling, nach all diesen Schwierigkeiten, die ich wegen dir hatte, darf ich das wohl.«
38
Die Rückreise nach Kardinien schien im Flug zu vergehen, denn Alexandra war so in ihrem Unwohlsein versunken, dass sie kaum bemerkte, wie die Zeit verging. Auf dem Schiff hielt sie sich die ganze Woche über in der Nähe eines Eimers auf und fühlte sich halbtot. Aber angesichts der Erzählungen anderer schwangerer Frauen konnte sie wahrscheinlich von Glück reden, dass ihr lediglich auf dem Schiff schlecht war.
Sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, ging es ihr glänzend. Alexandra hatte sich noch nie so gut gefühlt - körperlich. Im Gegensatz zu ihren Reisegefährten bekam sie nicht einmal eine Erkältung, als sie sich durch tiefen Schnee und eiskalte Winde kämpften.
Ihre Stimmung besserte sich erst, als sie Kardinien fast erreicht hatten und sie wusste , dass sie jetzt bald ihre Pferde wiedersehen würde. Plötzlich fielen ihr die merkwürdigen Blicke auf, die Wassili ihr zuwarf, als ob er etwas bedauern würde. Wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein.
Er hatte ihr jedoch zu Beginn ihrer Reise gesagt, dass er ihr Zeit lassen werde, sich an den Gedanken zu gewöhnen, nun doch zu heiraten. Er schien das absolut ernst zu meinen. Und anscheinend war er der Meinung, dass er ihr dabei helfen würde, wenn er ihre Unterhaltungen auf ein Minimum reduzierte. Schließlich kam es recht selten vor, dass sie sich unterhielten, ohne gleich in einen heftigen Streit miteinander zu geraten.
Insbesondere ein Ereignis hätte unter >normalen< Umständen wahrscheinlich zum Streit des Jahrhunderts geführt. Sie hatten zum ersten Mal einen richtigen Gasthof erreicht und fanden sich plötzlich zusammen an einem Tisch wieder. Das Abendessen wurde serviert. Alexandra hatte bereits entschieden, dass es keinen Grund gab, ihre grauenhaften Essgewohnheiten noch weiter zu pflegen. Wassili hatte sowieso nie darauf reagiert. Und da sie nun schon zugestimmt hatte, ihn zu heiraten - nur wegen des Babys natürlich -, brauchte sie jetzt kein Theater mehr zu spielen.
Wassili hatte ihr des Öfteren zweifelnde Blicke zugeworfen, als sie auch nach ihrer Abreise von England weiterhin ihre Kleider trug. Er hatte jedoch nie wieder gefragt, ob sie darunter ihre Reithose anhatte. Aber als sie an jenem Abend am selben Tisch saßen und er zum ersten Mal ihre >normalen< Tischmanieren sah, dachte sie, er würde vom Stuhl fallen.
Doch schon nach kurzer Zeit sah er sie misstrauisch an. »Du hast mir diese schrecklichen Tischmanieren also nur vorgespielt?« fragte er sie.
Sie gebrauchte erst gar keine Ausflüchte, sondern antwortete ihm einfach: »Aber natürlich.«
»Und deine Flucherei?«
»Ich hatte Hilfe und habe viel improvisiert.«
»Aber dein Geschick mit der Peitsche war nicht gespielt.«
»Konrad hat es mir als Kind beigebracht.«
»Und die Drohungen, die du gegen meine Frauen ausgestoßen hast?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, aber die waren echt. Was mir gehört, wollte ich noch nie teilen.«
Er lächelte sie an, bevor er zu ihr sagte: »Ich habe festgestellt, dass auch ich nicht teilen werde, zumindest, wenn es um dich geht.«
Sie hatte seine Worte nicht ernst genommen. Wahrscheinlich hatte er eingesehen, dass er sich nicht über ihre Schwindeleien aufregen konnte, da er genau das gleiche getan hatte.
Tania Barony hatte ihr schon davon erzählt, und auf der Rückreise von England lernte auch sie endlich doch noch Wassilis wahres Ich kennen. Keine spöttischen Kommentare mehr, keine abfälligen Bemerkungen. Keine geringschätzigen Blicke. Dafür aber für ihren Geschmack viel zu oft sein sinnliches Lächeln, das sie schon bald nicht mehr gleichgültig ließ.
Er wickelte sie mit seinem Charme ein, ohne sich auch nur anzustrengen, und das machte ihr angst. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie es sein würde, wenn er sie nach einiger Zeit ignorierte. Und zwar, sobald er herausfand, dass sie seinen ersehnten Erben bereits unter dem Herzen trug. Sehr viel länger würde sie es ihm nicht mehr verheimlichen können. Es schmerzte sie um so mehr, als sie entdeckte, dass er wirklich sympathisch war, wenn er sie nicht
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