Was der Nachtwind verspricht
brauchen.
Sie hatten Alexandra wieder verloren, als sie die Reise in einer Kutsche fortgesetzt hatte. Aber da er noch acht Männer in seinem Gefolge hatte, war es ein Leichtes für ihn gewesen, nach ihrer Ankunft in London innerhalb von wenigen Stunden herauszufinden, in welchem Hotel sie wohnte. Ihre Zofe, Nina, hatte ihm sofort gesagt, wo er Alexandra an diesem Abend finden würde.
Und jetzt wusste er nicht genau, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Wie immer war sein erster Impuls der, mit ihr schlafen zu wollen. Allein ihre Nähe hatte ausgereicht, um sein Blut zum Kochen zu bringen. Sein zweiter Impuls trieb ihn dazu, sie auf der Stelle zu erwürgen, wegen all des Ärgers, den er ihretwegen gehabt hatte. Und dann war da noch etwas. Er wollte sie einfach in seine Arme nehmen und ihr sagen, dass ... was? Dass er ganz krank vor Sorge gewesen war, sie könne Leighton heiraten, bevor er sie fand? Dass er sich in der bedauernswerten Position befand, zum ersten Mal in seinem Leben verliebt zu sein? Sie würde ihm nicht glauben, nicht, nachdem er sie gerade so behandelt hatte.
Und was war mit diesem Engländer? Wenn Leighton bei ihr gewesen wäre, hätte er ihn wahrscheinlich auf der Stelle zum Duell gefordert. Wenn sie den Mann liebte, wenn sie ihn wirklich liebte, wäre er dann so anständig gewesen, einen Rückzieher zu machen und Alexandra ihm zu überlassen? Seine Eifersucht sagte nein, er und der Engländer konnten nicht auf demselben Planeten leben. Aber da er sie liebte, wollte er, dass sie glücklich war.
Er konnte diese beiden Gefühle nicht miteinander vereinbaren. Zuerst muss te er wohl herausfinden, ob er zu spät gekommen war.
»Findet die Hochzeit statt, Alex?«
Überrascht hielt Alexandra den Atem an. Wie hatte er nur von ihrem stämmigen Vicomte erfahren? Das war völlig unmöglich.
»Was für eine Hochzeit?« fragte sie vorsichtig.
»Zwischen dir und Leighton.«
Das war ja noch schlimmer. »Wer hat dir von Christopher erzählt?«
»Lazar. Du hättest es mir sagen sollen.«
»Es ging dich überhaupt nichts an ...«
»Wir werden schließlich heiraten!« unterbrach er sie wütend. »Es geht mich verdammt noch mal doch etwas an, ob du in einen anderen Mann verliebt bist oder nicht!«
»Wir werden was?«
»Ah, die Dame wird nun doch wankelmütig«, höhnte er. »Oder hast du etwa vergessen, dass du mir hoch und heilig versichert hast, du würdest dein Wort nicht brechen? Du sagtest etwas von Ehre.«
Als sie das hörte, sträubte sich alles in ihr. »Hast du denn meinen Brief nicht bekommen? Deine Mutter sagte, du könntest mich nicht heiraten, ich sei eine Schande für die Familie, völlig hoffnungslos ...«
»Meine Mutter hat unsere Ehe nicht arrangiert. Sie hat dabei überhaupt nichts mitzureden.«
»Diesen Eindruck hatte ich aber ganz und gar nicht, als wir uns zum ersten Mal über die Auflösung unserer Verlobung unterhalten haben«, sagte sie steif. »Als mir deine Mutter sagte, es sei alles vorbei, habe ich angenommen, dass ...«
»Da hast du dich leider geirrt, Alex. Du bist gegangen, ohne überhaupt meine Meinung dazu zu hören. Ich sage dir noch einmal, dass meine Mutter nicht das Recht hatte, diese Entscheidung zu treffen. Ob wir heiraten oder nicht, hängt ganz allein von uns beiden ab und davon, ob wir die Vereinbarung unserer Väter einhalten werden oder nicht.«
»Soll das etwa heißen, dass wir immer noch verlobt sind?«
»Da hast du verdammt recht.« Und bevor sie wusste , was er vorhatte, hatte er schon ihre Hand in der seinen und streifte ihr das warme Metall ihres Verlobungsringes über den Finger. »Leg ihn nicht wieder ab, Alex. Du gehörst mir. Ich will, dass du das Zeichen dafür immer trägst.«
Seine letzten Worte klangen wie eine Drohung, und in seiner Stimme lag etwas Besitzergreifendes, das sie verwirrte und zugleich faszinierte. Sie lehnte sich zurück, überwältigt von Erleichterung und Angst, die auf sie einstürmten, und versuchte ruhig zu bleiben. Sie würde diese Unterhaltung niemals überstehen, wenn sie ihre Gefühle mit hineinzog. Aber wie wundervoll war es doch, wieder den Ring zu tragen! Sie hatte geweint, als sie ihn vom Finger gezogen hatte. Und als sie ihn zusammen mit dem Brief zurückgelassen hatte, war es ihr vorgekommen, als ob sie mit ihm auch ihr Herz zurücklassen würde. Sie würde ihn nie wieder ablegen ... aber nicht, weil er es von ihr verlangt hatte.
»Erklärst du mir bitte, warum?« sagte sie und meinte damit seine
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