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Was der Nachtwind verspricht

Was der Nachtwind verspricht

Titel: Was der Nachtwind verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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runter!«
    Es sah so aus, als ob er das auch tun würde, denn er legte beide Zügel in die Hand des Arms, mit dem er sie stützte. Dadurch hatte er jetzt seine andere Hand frei, aber anstatt sie auf die Erde herabzulassen, hob er ihr Kinn hoch, so dass sie zu ihm aufblickte. Dann näherte er sich ihren Lippen.
    »Ich habe es versucht«, flüsterte er mit heiserer Stimme.
    Sie starrte ihn gebannt an, aber nur zwei atemlose Sekunden lang. Dann überkam sie die Angst, dass sie sich in den gleichen sonderbaren Empfindungen verlieren würde, die sie gestern abend gespürt hatte. »Bitte, bitte, bitte«, brach es aus ihr heraus.
    Einen kurzen Augenblick lang sah er enttäuscht aus, weil sie nachgegeben hatte. Aber dann war er befriedigt über seinen Sieg. Er ließ sie vom Pferd gleiten und lächelte ihr von oben herab süffisant zu.
    »Jeder muss einmal seine Lektion lernen, meine Liebe«, sagte er mit einer kräftigen Dosis Arroganz. »Es ist besser, wenn man eher nachgibt, da Verzögerungen nichts als Scherereien verursachen.«
    Lektion oder Warnung? Aber es war ihr egal, ob er inzwischen das Thema gewechselt hatte und jetzt über die Verlobung sprach oder das >bitte< meinte, das er gerade bekommen hatte.
    »Dann solltet Ihr diese Lektion am besten selbst beachten, Petroff«, erwiderte sie. Dann rief sie mit durchdringender Stimme: »Bojik!«
    Unmittelbar darauf war der Wolfshund an ihrer Seite und bellte so laut und bösartig, dass Wassilis Hengst dieses Mal durchging und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit davonjagte, und zwar nicht die Straße hinunter, sondern über ein nahegelegenes Feld. Alexandra grinste, als sie sah, wie Wassili das Tier zu bändigen versuchte. Er hatte nicht sehr viel Erfolg dabei. Sie würde eine Weile laufen müssen, bis einer der Razins bemerkte, dass sie zu Fuß ging, und sie holen kam, aber das machte ihr nicht das geringste aus.
    Sie lachte sogar, als sie ihrem Hund das Fell zerzauste und zu laufen begann. »Er will uns etwas beweisen, Bojik, aber ich glaube nicht, dass es ihm gefallen wird, wenn wir auch damit anfangen. Was meinst du dazu?«

16
    Eine ganze Woche war vergangen, ohne dass sich weitere Zwischenfälle ereignet hätten, was wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen war, dass Wassili und Alexandra sich große Mühe gaben, nicht miteinander zu reden. Beide hätten es vorgezogen, einander auch nicht zu sehen, aber das war unmöglich zu bewerkstelligen, obwohl Wassili jede erdenkliche Anstrengung unternahm, indem er der Reisegesellschaft jeden Tag so weit wie möglich vorausritt.
    Zweimal hatten sie im Freien ihr Lager aufgeschlagen, und obwohl Alexandra damit gerechnet hatte, dass sich der verweichlichte Lackaffe heftig dagegen sträuben würde, hatte es beide Male überhaupt keinen Streit gegeben. Hätte sie Wassili besser gekannt, so hätte sie gewusst , wie nahe daran sie gewesen war, einen Streit zu entfachen. Aber Wassili war in der kurzen Zeit, in der er sie kannte, klargeworden, dass ihr das Wohl ihrer Pferde wichtiger als alles andere war und sie keinen Fingerbreit nachgab, wenn es um deren Sicherheit ging. Ehrlich gesagt widerstrebte es ihm genauso wie ihr, in der Dunkelheit zu reisen. Wenn er protestiert hätte, wäre das aus reinem Widerspruchsgeist geschehen, was jedoch nicht heißen sollte, dass er in seinem gegenwärtigen Gemütszustand nicht sehr zum Widerspruch neigte.
    Er war überhaupt nicht zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelten. Lazar hatte recht: Er konnte sein Schicksal nicht völlig seiner Mutter überlassen. Er glaubte zwar, dass sie ihm diese Heirat verbieten würde, sobald sie mit eigenen Augen sah, dass Alexandra - Baronesse hin, Baronesse her - meilenweit davon entfernt war, eine Dame zu sein. Aber es war immerhin möglich, dass sie annehmen würde, sie könne Alexandras Mängel korrigieren. Und Wassili hielt ein solches Unterfangen zwar für aussichtslos, wusste aber zugleich, dass seine Meinung nicht zählen würde, wenn seine Mutter einmal den Entschluss gefasst hatte, es zu versuchen.
    Dann war ihm die Idee gekommen, dass er sich womöglich aus seinem Dilemma befreien konnte, indem er Alexandra einfach ignorierte. Jede andere Frau hätte einen solchen Mangel an Aufmerksamkeit seinerseits nicht hingenommen, sondern sich mit den heftigsten Gefühlsausbrüchen revanchiert. Aber Alexandra war nicht wie andere Frauen. Und es verärgerte ihn aufs äußerste, dass sie es sogar zu begrüßen schien, wenn er ihr aus dem Weg ging.

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