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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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zum Beispiel darauf, sich scheiden zu lassen.
    Die immer schlechter werdende Ehe ihrer Eltern hatte schließlich ein vorhersehbares Ende gefunden. Daisy war mit ihrem Vater von Manhattan nach Avalon gezogen, einer hinterwäldlerischen Kleinstadt, von der sie sich vorgenommen hatte, sie zu hassen.
    Doch sie hasste Avalon nicht. Okay, sie hatte das Städtchen auch nicht gerade geliebt, aber es war ein sicherer Ort zum Leben. Dann stellte sie fest, dass sie schwanger war, und die Frage, ob sie woanders hinziehen sollte, stellte sich gar nicht mehr. Das hier war eine sehr gute Umgebung, um ein Kind aufzuziehen.
    Und jetzt war ihre Mom dazugekommen. Wie surreal war das bitte?
    Da war Daisy nun also, schaute sich ihre neue Schule an, kämpfte mit einer Art Kulturschock, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sie tat das, was sie oft tat, schaute sich alles durch die Linse ihrer Kamera an. Es war kühl. Studenten gingen in größeren Gruppen über den Campus, lachten und unterhielten sich und ließen Daisy sich ihrer Einsamkeit sehr bewusst werden. Es gab auch Paare. Viele Paare. Sie schlenderten Hand in Hand oder hatten die Arme umeinandergelegt. Einige von ihnen hielten alle paar Schritte an, um diesem neuen Gefühl der Verliebtheit mit einem Kuss Ausdruck zu verleihen und dann wie berauscht weiterzugehen. Und natürlich gab es die Einsamen, die mit eingestöpselten Kopfhörern irgendwo in den Tiefen der Playlist ihres iPods versunken waren. Daisy sah auch ein paar Mädchen mit Handys. Sie nahm an, einige von ihnen täuschten nur eine Unterhaltung vor, um nicht auszusehen, als hätten sie keine Freunde.
    Daisy war noch nicht sicher, zu welcher Gruppe sie gehörte. Das hier war ein staatliches College, also war hier alles vertreten. Von Vollzeitstudenten, die in den Wohnheimen oder den großen Verbindungshäusern im viktorianischen Stil wohnten, bis hin zu Pendlern, die nebenbei noch einen Job und eine Familie hatten. Logan wohnte im Chi-Theta-Sigma-Haus. Sie hatte ihn dort noch nie besucht. Mit diesem Teil seines Lebens hatte sie nichts zu tun, und es war auch besser, es dabei zu belassen.
    Sie vermisste Charlie und wusste doch gleichzeitig, dass diese wenigen Stunden ohne ihn ein unbezahlbares Geschenk waren. Vielleicht sollte sie zur Studentenvereinigung gehen und sich bei einer Tasse Kaffee mit den anderen Mädchen über Shopping, Stars, die aktuellen Schlagzeilen und die gestrige Collegeaufführung von
Antigone
unterhalten.
    Vielleicht würde sie das nach den Vorlesungen tatsächlich tun. Ihre Mom hatte ihr versichert, gut auf Charlie aufzupassen. Daisy bezweifelte das kein Stück. Das war eine der guten Seiten an ihrer Mutter: Was auch immer sie tat – ob es darum ging, einen fremden Diktator zu Fall zu bringen oder im Supermarkt eine Grapefruit auszusuchen –, sie machte es kompetent und zuverlässig. Daisy dachte an ihre Mutter und was sie durchgemacht hatte. Einen sicherheitsrelevanten Vorfall hatte sie es genannt und ihre Rolle in dem Drama vollkommen heruntergespielt. Doch obwohl sie so tat, als wäre sie nur eine Beobachterin gewesen, sprach sie nicht gern darüber. Daisy nahm an, dass ihre Mutter mehr als nur eine Zuschauerin gewesen war. Es musste wirklich schlimm gewesen sein, wenn es sie dazu veranlasst hatte, nach Avalon zu ziehen. Für Daisy hätte das Timing allerdings nicht besser sein können. Ein Gedanke, bei dem sie sich gleich egoistisch vorkam.
    Daisy machte ein paar Fotos. Sie mochte es, wie der Schnee die Gesichter erhellte. Scharf, aber dennoch mit einer ganz besonderen Klarheit, die den Mienen und Gesichtszügen eine gewisse Aufrichtigkeit verlieh.
    Durch den Sucher ihrer Kamera schaute sie sich auf dem Campus um, einem länglichen Hof, der von großen, kahlen Bäumen und eindrucksvollen Backsteingebäuden umgeben war. Es handelte sich um eines der schönsten und traditionsreichsten Colleges des staatlichen Schulwesens. Ihr Objektiv fing einen Jungen mit schulterlangen, weißblonden Haaren ein, der mit einem Stapel Bücher auf die Hüfte gestützt über den Hof lief.
    Vor Überraschung hätte sie beinahe die Kamera fallen lassen. Konnte das sein? War das wirklich … Zach?
    Sie wollte schon seinen Namen rufen, entschied sich dann aber dagegen. Wenn er es nicht war, stünde sie wie ein Idiot da. Sie steckte ihre Kamera weg und eilte ihm hinterher. Dabei kam sie an einigen Studenten vorbei, die ein Plakat für eine Kundgebung aufstellten, und an einem Professor, der von bewundernden Studenten

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