Was der Winter verschwieg (German Edition)
arbeitete. Matthew Alger saß inzwischen seine Gefängnisstrafe ab. Da Zach weder Familie noch Verwandte in Avalon hatte, verließ er die Stadt. Und auch wenn Nina nicht direkt für die Verluste der Stadt verantwortlich war, war ihre Amtszeit mit dem Skandal zu Ende gegangen.
„Ja, danach“, sagte Daisy. „Du bist nicht mehr zu Schule gekommen, hast deinen Job in der Bäckerei aufgegeben und warst weg, bevor ich dir überhaupt sagen konnte, wie leid mir alles tat, was du durchmachen musstest. Und bevor Sonnet dir Auf Wiedersehen sagen konnte.“
„Du meinst: Auf Nimmerwiedersehen. Mein Dad hat ihre Mutter betrogen. Ich glaube nicht, dass sie sonderlich traurig war, mich gehen zu sehen.“
„Wir waren beide traurig, Zach. Was dein Vater getan hat, war nicht dein Fehler, und ich bin froh, dass ich dich wiedergefunden habe. Und nur zur Info, ich werde Sonnet davon erzählen. Ach, weißt du was, ich schreibe ihr gleich jetzt eine SMS.“
Endlich war Zach entspannt genug, um beinahe zu lächeln. „Immer noch genauso herrisch wie damals.“
In der Stille, die folgte, spürte sie seine unausgesprochene Neugier. Sie verschränkte die Arme auf dem Tisch und schaute ihn an. „Es ist okay, mich nach dem Baby zu fragen.“
„Ja, ich hatte gerade daran gedacht.“
Als Zach sie das letzte Mal gesehen hatte, war die Schwangerschaft gerade erst ein paar Monate fortgeschritten und die Zukunft völlig ungewiss gewesen.
„Ich wollte nicht fragen, für den Fall, dass es nicht gut ausgegangen ist, weißt du?“, fügte er hinzu.
„Ich habe im August einen kleinen Jungen bekommen. Emile Charles Bellamy. Er ist umwerfend.“ Sie zog ein Foto aus der Tasche. „Wir wohnen in Avalon“, erklärte sie. „Ich pendele zum College. Heute ist mein erster Tag.“
„Wow.“ Wie die meisten Jungs wusste er nicht so recht, was er zu dem Babyfoto sagen sollte. „Ich wette, du bist eine tolle Mutter.“
„Ich geb mein Bestes.“ Sie fragte Zach nach seinem Leben. Er wohnte in der Nähe des Campus und arbeitete in der örtlichen Bäckerei. Anders als anderen Menschen passten ihm die verrückten Arbeitszeiten sehr gut. Hier am College studierte er Buchhaltung, wie er zögernd zugab.
Während sie ihm zuhörte, erkannte Daisy, wie sehr sie Zach mochte und wie sehr sie ihn als Freund vermisst hatte. Dieser Tage hatte sie so wenige Freunde. Die meisten ihrer Bekannten von der Highschool waren weggezogen, um aufs College zu gehen oder in einer größeren Stadt zu arbeiten. Diejenigen, die zurückgeblieben waren, hatten sich in einer Art Schwebezustand eingerichtet. Sie waren noch nicht wirklich erwachsen, hatten wenig aufregende Jobs und warteten aufs Wochenende, um sich zu betrinken. Ziellos lebten sie von Tag zu Tag. Daisy wollte auf jeden Fall vermeiden, das gleiche Schicksal zu erleiden. Deshalb hatte sie darauf bestanden, allein zu wohnen anstatt im Haus ihres Vaters, und blieb abends lange auf, um die kommerzielle Seite ihrer Fotografie auszubauen. Und deshalb war sie jetzt hier auf dem College. Sie wollte kein Leben, das sie einfach nur ertrug. Sie wollte mehr.
Sie erzählte Zach von den kleinen Fortschritten, die sie mit ihrer Fotokunst gemacht hatte. Ihre Drucke hingen in ein paar Geschäften im Ort, und ab und zu wurde sogar einer verkauft. Außerdem hatte sie sich ein regelmäßiges kleines Einkommen aufgebaut, indem sie für ein örtliches Grafikbüro arbeitete und ihre Fotos auch online anbot.
„Meine Bilder tauchen an den überraschendsten Orten auf“, sagte sie. „Zum Beispiel in einer Anzeige für Glasschiebetüren. Und für Gartenzubehör und Medizin.“ Sie trank ihren Kaffee aus und stopfte die Serviette in den Becher. „Einige der besten Fotos, die ich je gemacht habe, sind allerdings von dir.“
„Na ja, ich hoffe, mein Gesicht taucht nicht irgendwo in einer Anzeige oder Broschüre auf.“
„Zum einen würde ich das niemals tun. Und zum anderen könnte ich es ohne schriftliche Einwilligung des Models gar nicht verkaufen.“ Sie reichte ihm ein anderes Bild aus ihrem Portemonnaie. Eines, das sie letzten Winter mit Selbstauslöser gemacht hatte. Es zeigte Sonnet, Zach und sie im verschneiten Wald und fing die innige Freundschaft ein, die sie einst verbunden hatte. Als das Foto gemacht worden war, hatte keiner von ihnen gewusst, dass Daisy kurz darauf Fotos von etwas ganz anderem machen würde. Fotos von etwas, das sie beim Bergsteigen in einer Eishöhle entdeckt hatten. Sie waren an dem Tag losgezogen, um
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