Was der Winter verschwieg (German Edition)
schaffst das.“
„Ich kann das auch noch nächstes oder übernächstes Jahr machen“, hatte Daisy gejammert. „Es muss ja nicht gerade jetzt sofort sein.“
Eine Selbstsicherheit vortäuschend, die sie nicht besaß, hatte Sophie den weinenden, nassen Charlie auf den Arm genommen. „Geh. Wenigstens diese Woche. Wir schaffen das, Daisy, das verspreche ich dir.“
Schließlich war Daisy aus dem Haus gelaufen und hatte Sophie und Charlie sich selbst überlassen. Der Kleine weinte immer noch, und Sophie fragte sich, ob sie ihr Versprechen wirklich würde einlösen können.
Sie hatte den Tag mit Charlie quasi auf die Minute genau geplant. Die Mahlzeiten, Wickeln, Zeit zum Spielen und für einen kleinen Mittagsschlaf. Alles gemäß der Zeitpläne, die in den Babybüchern empfohlen wurden.
Die Bücher blieben allerdings recht vage, was zu tun war, wenn das Baby sich nicht an den Zeitplan hielt. Sophie bahnte sich einen Weg durch das unordentliche Wohnzimmer ins Schlafzimmer, wo sie Charlies Windel wechselte. Er war stark und wütend, weinte und wand sich und machte es ihr so schwer wie möglich, die strampelnden Beinchen in einen frischen neuen Strampler zu stecken. Sie ließ die dreckigen Sachen einfach auf den Boden fallen und erkannte im selben Augenblick, wie einfach es war, ein Haus im Chaos versinken zu lassen, wenn man sich allein um ein Baby kümmern musste. Sie nahm Charlie wieder hoch und drückte ihre Lippen gegen seine Stirn. Er fühlte sich nicht heiß an. Beruhigend auf ihn einredend, ging sie zurück ins Wohnzimmer und setzt ihn in seinen Wipper, um dann schnell in die Küche zu eilen und ihm ein Fläschchen warm zu machen. Er wollte aber kein Fläschchen. Er wollte auch keinen Schnuller. Im Großen und Ganze konnte man sagen: Er wollte Sophie nicht.
Sie legte ihn auf eine Decke auf dem Boden und schaute sich nach einem Spielzeug für ihn um. Da sie im unmittelbaren Umfeld nichts fand, ließ sie sich einfach neben ihm nieder. „Charlie, wir müssen miteinander reden“, sagte sie, als er mal kurz Atem holte. „Ich habe bereits zwei Kinder aufgezogen.“ Sie stellte fest, wenn sie mit ihm wie mit einem Erwachsenen sprach, vergaß er einen Moment lang zu weinen. „Du machst mir keine Angst. Aber die Sache ist die: Ich habe es noch nie alleine machen müssen. Als ich Daisy bekam, war ich noch nicht mit ihrem Vater verheiratet, aber ich war nicht wirklich alleine. Ich habe in dem Sommer bei meinen Eltern gewohnt. Ach ja, die hast du noch nicht kennengelernt.“
Charlie ballte die kleinen Hände zu Fäustchen und kaute zahnlos auf seinen Knöcheln herum.
„Weißt du, das wird schon noch, wenn du etwas älter bist“, fuhr sie fort. „Sie haben sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, Urgroßeltern zu sein. Wie auch immer, als ich Daisy bekam, war ihre Lösung, mir vierundzwanzig Stunden am Tag eine Hilfe zur Seite zu stellen. Ich habe mein Baby aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht und sofort an eine ausgebildete Säuglingsschwester übergeben. Ein paar Monate später haben Greg und ich geheiratet und die Nanny behalten. Versteh mich nicht falsch – das war eine sehr hilfreiche Idee von meinen Eltern, für die ich ihnen immer dankbar sein werde. Aber im Grunde genommen haben sie damit nichts anderes gesagt, als dass ich es alleine nicht schaffe. Ohne Hilfe würde ich mich nicht um ein Baby kümmern können. Warum sollte ich ihnen das nicht glauben? Um dir die Wahrheit zu sagen, ich war für Ammie und Della sehr dankbar – die Tagesnanny und die Nachtnanny. Ammie war Laotin und Della kam aus Queens. Sie waren beide total vernarrt in Babys, und Daisy war ihr Leben. Es kam der Zeitpunkt, an dem ich keinen Finger mehr rühren musste, weder für Daisy noch später für Max. Ich habe einfach mein Leben weitergeführt. Bin aufs College gegangen, habe danach Jura studiert und mich um meine Karriere gekümmert, während jemand anderes nach meinen Kindern gesehen hat.“
Charlie gab einen unwilligen Laut von sich, fing aber nicht wieder an zu weinen. Sophie streckte ihre Hand aus und beobachtete, wie er nach ihrem Finger griff und ihn genau untersuchte, bevor er ihn in seinen Mund steckte und mit seinem einen Zahn zubiss – aber nicht so doll, dass es wehtat.
„Was ich also sagen will, ist: Du bist mein zweiter Versuch, junger Mann. Meine Chance, es dieses Mal anders zu machen, dein Leben durch meine Anwesenheit zu bereichern. Nicht, dass ich Druck auf dich ausüben will oder so, aber ich möchte
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