Was Die Liebe Naehrt
für die freiwillig auf sich genommene Ehelosigkeit besteht. Der Zölibat ist nicht mehr getragen
durch die Gläubigen einer Gemeinde. Das hängt sicher einmal mit den Fehlformen zusammen, die manche Zölibatäre leben. Aber es hat seinen Grund auch in dem
mangelnden Verständnis für die Transformation der Sexualität in Spiritualität. Es herrscht heute bei den meisten Leuten die Meinung, dass man Sexualität
unbedingt leben müsse, um psychisch und physisch gesund zu bleiben. Ich persönlich mache die Erfahrung, dass Eheleute, die in einer guten Ehe leben,
durchaus auch Verständnis für meine Ehelosigkeit haben. Doch Frauen, die nicht ohne Männer sein können, stellen mir oft aggressiv die Frage: »Wie können
Sie nur ehelos leben? Das führt doch zum Verklemmtsein. Das macht doch krank.« In Wirklichkeit können sich Ehelose und Eheleute gegenseitig ergänzen. Die
Eheleute stellenden Ehelosen die Frage, wie sie angemessen mit ihrer Sexualität umgehen. Und die Ehelosen sind für die Eheleute ein
Stachel, sich nicht auf die Sexualität zu fixieren, sondern die Liebe in einem größeren Horizont zu sehen. Es geht nicht um besser oder schlechter und
auch nicht um eine wertende Zuordnung im Sinne von »spiritueller« oder »weltlicher«. Ob ehelos oder verheiratet, jeder muss seinen Weg zu Gott finden. Und
dieser Weg geht nicht an der Sexualität vorbei.
Keine Verdrängung
Die Verheirateten drücken ihre gegenseitige Liebe in der Sexualität aus. Die Sexualität ist der höchste Ausdruck ihrer gegenseitigen
Liebe. Wenn die Sexualität zwischen den Eheleuten nicht gelingt, müssen sie andere Ausdrucksformen für ihre Liebe finden. Der Ehelose kann seine
Sexualität nicht verdrängen oder unterdrücken. Er muss sie entweder sublimieren, indem er sie in eine emotionale Liebe zu Gott transformiert, oder aber
integrieren, indem er sie in alles, was er tut und spürt, hineinströmen lässt.
Noch wichtiger als die Sexualität sind aber die Liebe und die Beziehungsfähigkeit. Der Ehelose ist nicht beziehungslos und nicht liebelos. Wer seine
Beziehungslosigkeit religiös als Ehelosigkeit überhöht, der wird damit sicher scheitern. Denn dann verwandelt er die Sexualität nicht, sondern kompensiert
sie nur. Er sucht Ersatzweisen für sein Leben. Doch die verdrängte oder übergangene Sexualität wird sich dann in Geltungssucht und anderenSüchten ausdrücken. Das unheilvolle Thema des sexuellen Missbrauchs von Priestern, aber auch von Lehrern, Erziehern und Therapeuten hängt
mit der Verdrängung der Sexualität zusammen. Die unterdrückte Sexualität sucht nach einem Ausdruck oft bei Schwächeren. Die Verdrängung der Sexualität
führt oft zur Identifikation mit den archetypischen Bildern des Helfers und Heilers. Wer sich – so sagt C. G. Jung – mit einem archetypischen Bild
identifiziert, der wird blind dafür, dass er seine unbewussten Bedürfnisse auslebt. Wenn sich ein Lehrer oder Erzieher oder Priester mit dem
archetypischen Bild des Heilers oder Helfers identifiziert, agiert er seine Sexualität an Kindern aus, ohne dass ihm das Verwerfliche seines Tuns bewusst
wird. Das ist gerade das Gefährliche am Missbrauch, dass man ihn vor seinem eigenen Gewissen gar nicht zugibt. Man hat ihn ja gleichsam spirituell oder
existentiell erhöht als Helfen oder Heilen. Daher braucht es die Demut, sich mit seiner Sexualität anzunehmen. Wer sich seiner Sexualität bewusst ist und
bewusst damit umgeht, der ist geschützt vor solch verletzendem Verhalten.
Beide, Ehelose wie Verheiratete, müssen Formen finden, ihre Sexualität in Liebe zu verwandeln und sie in die Beziehungen hineinfließen zu lassen. Das
gilt einmal für die Beziehung zu sich selbst. Auch sie soll eine erotische Färbung haben. Ich soll Lust haben an meinem Leib. Das gilt aber auch für die
Beziehungen zu anderen Menschen. Die Sexualität zeigt uns, dass wir wesentlich auf andere bezogen sind. Wir können und dürfen nicht mit allen, die uns
sympathisch sind, eine sexuelle Beziehung eingehen. Aber die Sexualität fließt in die Beziehungen hinein. Siewird zur Erotik, die
unseren Beziehungen Spannung, Lebendigkeit und Kraft verleiht. Und die Sexualität soll auch in die Beziehung zu den Dingen einfließen, indem wir sinnlich
die Dinge wahrnehmen und uns daran freuen. Und letztlich möchte die Sexualität auch in unsere Beziehung zu Gott integriert werden. Das geschieht in einer
mystischen
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