Was Die Liebe Naehrt
bescheidenen Geste des anderen
seine tiefe Liebe.
Beziehung als (spiritueller) Übungsweg
Spiritualität ist nicht ein Ideal, das wir verwirklichen. Sie besteht vielmehr in einem Übungsweg. Dieser Übungsweg hat als Ziel, uns
selbst und alle Bereiche unseres Lebens immer mehr für Gott zu öffnen. Der spirituelle Übungsweg, den wir Benediktiner gehen, ist ein nüchterner Weg, der
den ganzen Alltag umfasst. Benedikt ist skeptisch gegen hohe Ideale. Für ihn zeigt sich die Beziehung zu Gott und die Hingabe an Gott in sehr konkreten
Dingen wie dem achtsamen Umgang mit dem Werkzeug, in der gediegenen Arbeit, in der klaren Ordnung und Struktur des Tages und in den konkreten Diensten wie
Tischdienst und Reinigungsdienst.
Hans Jellouschek hat vor der neoromantischen Vorstellung gewarnt, die Ehe garantiere einem immer das Gefühl des Glücklichseins. Er betont, die Ehe sei
keine Glücksveranstaltung, sondern ein Übungsweg, auf dem man immer wieder Glück erfahren könne. In diesem Sinn möchte ich im Folgenden verschiedene
Themenfelder ansprechen, die auf dem Übungsweg der Beziehung angeschaut werden müssen. Es sind durchweg Bereiche, in denen wir nie eine ideale Auflösung
der Spannung finden. Vielmehr geht es gerade darum, immer wieder eine gesunde Spannung einzuüben, die die Beziehung lebendig hält.
Sexualität und Liebe
Die Liebe will sich in der Sexualität ausdrücken. Im sexuellen Einswerden erleben die beiden Partner den Höhepunkt ihrer Liebe. Die
Liebe zwischen den Partnern braucht die Sexualität, um zu ihrer Vollendung zu kommen. Wenn die Liebe die Sexualität ausklammert, dann ist sie in Gefahr,
zu vertrocknen. Aber nicht nur der sexuelle Akt vertieft die Liebe und stärkt die Beziehung. Auch die Erotik – gleichsam eine spirituelle Form der
Sexualität – gibt der Liebe zwischen Mann und Frau die rechte Spannung. In der Erotik, so sagt man, prickelt es. Da ziehen sich die Partner gegenseitig
an. Und diese gegenseitige Anziehung hält die Liebe lebendig. Auch im Alter gibt es Erotik und Sexualität, die die Liebe nähren. Es ist wunderbar, wenn
alte Ehepaare miteinander zärtlich sind, wenn sie immer noch die erotische Anziehung des anderen wahrnehmen und wenn sie noch eine erfüllte Sexualität
leben. In früheren Jahrhunderten dachte man, die Sexualität passe für alte Menschen nicht. Heute sagen uns die Psychologen, dass es auch im Alter erfüllte
Sexualität gibt und dass die Sexualität auch im Alter die Liebe vertieft. Allerdings steht die Sexualität nicht mehr im Mittelpunkt. Je älter wir werden
und je länger ein Paar zusammenlebt, desto klarer wird, worauf es eigentlich ankommt: den anderen bedingungslos anzunehmen und ihm in alle Bereiche seines
Lebens zu folgen, auch in die Krankheit und Ohnmacht hinein.
Es gibt Zeiten, da die Partner die Sexualität nicht leben können, entweder wegen einer Krankheit oder wegen derSchwangerschaft oder
auch, weil es psychische Widerstände dagegen gibt. Wenn die Frau die Sexualität verweigert, ist es immer auch eine Krise für die Liebe zwischen Mann und
Frau. Aber auch die äußeren Faktoren, die einen sexuellen Akt verhindern, sind eine Herausforderung für die Liebe. Die Liebe darf sich dann nicht auf die
Sexualität fixieren. Sie muss andere Weisen finden, sich auszudrücken und gelebt zu werden. Die sexuelle Liebe wird mehr und mehr zur erotischen
Liebe. Damit diese erotische Liebe – gerade in einer Krankheit – ihre Kraft nicht verliert, braucht es aber auch die spirituelle Dimension. Doch was
heißt das? Ich kann mich in einer solchen Situation fragen: Was treibt mich im Tiefsten dazu, meine Frau zu lieben? Ist es nur ihre sexuelle
Anziehungskraft? Ist es ihre Schönheit? Indem ich mich dieser Frage stelle, werde ich zur Tiefe meiner Liebe vorstoßen. Ich liebe die Frau, weil ich sie
liebe. Ich liebe sie so, wie sie ist, mit all ihren Begrenzungen. Ich sage ja zu ihrer Person, zu ihrem Wesen, zu ihrer Einmaligkeit, unabhängig von ihrer
sexuellen Anziehungskraft. Auch wenn die Sexualität eine wichtige Quelle ist, die die Liebe nährt und lebendig hält, wird sich die Liebe innerhalb der
Partnerschaft immer wieder auf eine andere, letztlich auf die spirituelle Ebene hin bewegen. Liebe wird dann lebendig bleiben, wenn sie zur
bedingungslosen Annahme des anderen wird, zur Treue ihm gegenüber, zur Bereitschaft, mit ihm alles zu teilen, auch die Krankheit und die Hilflosigkeit und
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