Was Die Liebe Naehrt
anschaut und achtet. Indem ich mir diese Sehnsucht bewusst mache und sie formuliere, merke ich, wie unrealistisch sie ist. Ich
kann den anderen nicht besitzen und kontrollieren. Er ist ein freier Mensch. Natürlich spricht er auch mit anderen Frauen. Ich verurteile mich aber nicht
wegen meiner Eifersucht. Ich sehe darin vielmehr den Ausdruck meiner Liebe, aber zugleich auch den Ausdruck meiner zu großen Bedürftigkeit nach absoluter
Sicherheit. Indem ich meine Bedürftigkeit zugebe, kann ich sie relativieren. Und letztlich führt mich das Gespräch über die Eifersucht auf eine
spirituelle Ebene. Es zeigt mir: Ja, ich habe keine Garantie, dass sich mein Partner auch für andere Frauen interessiert. Ich kann nur vertrauen, dass er
mich liebt. Und ich kann vertrauen, dass Gott unsere Liebe segnet. Ich mache mich nicht völlig abhängig von der Zuwendung meines Mannes. Ich bin auch als
diese einmalige Frau von Gott geliebt und vor ihm wertvoll. Das Getragensein von Gottes Liebe vermag meine Eifersucht allmählich zu verwandeln. Wenn sie
auftaucht, erinnert sie mich zum einen an meine tiefe Liebe zu meinem Mann, zum anderen an meine Sehnsucht, in Gott eine Liebe zu finden, die nicht
brüchig ist, auf die ich für immer bauen kann.
Ganz gleich, wie ich mit meiner Eifersucht umgehe, sie wird sich immer wieder zu Wort melden und in mir Schmerzen hervorrufen. Aber
gerade die Schmerzen können die Liebe vertiefen. Es gibt keine leidenschaftliche Liebe ohne Leiden. Für die Mystiker des Mittelalters war die Passion Jesu
Ausdruck seiner leidenschaftlichen Liebe zu uns Menschen. Er hat seine Liebe zu uns auch körperlich ausgedrückt, indem er dem Schmerz nicht aus dem Weg
gegangen ist. Er hat den Schmerz nicht gesucht, sondern ihn verwandelt in einen Ausdruck der Liebe. Das erfahren auch Ehepaare oder Freundespaare. Wenn
der eine schmerzlich seine Eifersucht spürt, für die er gar keine Gründe hat, die aber trotzdem in ihm auftaucht, dann kämpft er nicht dagegen, sondern
lässt sich von dem Schmerz in die Tiefe seines Herzens führen. Dort in der Tiefe seines Herzens wird er dem geliebten Menschen begegnen. Dort wohnt der
oder die Geliebte in ihm. Und dort auf dem Grund seines Herzens vertieft sich seine Liebe. Dort ist er ganz und gar offen für die Liebe und für den
geliebten Menschen. Der Schmerz, den wir in der Liebe zum anderen erfahren, bricht uns letztlich auf für Gott, der Liebe ist. Dieser spirituelle Übungsweg
der Liebe zeigt aber auch den Unterschied zum buddhistischen Weg der Erleuchtung, die man durch meditatives Versenken in sich selbst erreichen möchte. Der
Weg der Liebe geht über den Schmerz, letztlich über das Kreuz. So ist letztlich das Kreuz das eigentliche Bild spiritueller Einübung in die Liebe.
Schuld und Versöhnung
Ob wir wollen oder nicht: In einer Paarbeziehung verletzen wir einander immer wieder. Manche reiben sich wund mit ihren gegenseitigen
Verletzungen. Ein Mechanismus setzt ein: Wenn der andere mich verletzt, muss ich ihn auch verletzen. Oder ich fühle mich ständig verletzt. Ich fühle mich
als Opfer, auf das man ständig dreinschlägt. Da wir den Verletzungen nie ganz entgehen werden, kommt es darauf an, wie wir mit ihnen umgehen. Die
Verletzungen können auch eine Chance sein, sich selbst besser kennen zu lernen. Denn durch die Wunden, die mir der Partner schlägt, komme ich in Berührung
mit den Wunden meiner Kindheit. Anstatt dem anderen vorzuwerfen, was er mir antut, nehme ich die Verletzung als Gelegenheit: Ich schaue meine eigene
Empfindlichkeit an und söhne mich mit den Wunden meiner Vergangenheit aus. Letztlich ist auch das eine spirituelle Aufgabe. Denn die Wunden wollen mich
aufbrechen für mein wahres Selbst und für den anderen in seiner Andersheit. Die Verletzungen zerbrechen meine Vorstellungen, die ich mir von mir selbst
und von meiner Partnerschaft gemacht habe. Letztlich wollen mich die Verletzungen aufbrechen für Gott, den eigentliche Grund meines Lebens. Dort, wo er in
mir wohnt, kann der andere uns nicht verletzen. So verweisen uns die täglichen Verletzungen und Kränkungen an den inneren Ort der Stille in uns, an dem
wir heil sind und ganz und an dem niemand uns zu kränken vermag.
Es gibt nicht nur die täglichen Verletzungen, die oft unbewusst geschehen. Es kann sein, dass der Partner wirklichan mir schuldig
geworden ist. Er hat mein Vertrauen missbraucht. Er hat – um die Sprache der Zehn Gebote zu
Weitere Kostenlose Bücher