Was Die Liebe Naehrt
Leiden in der Welt. Schon unsere konkreten geschichtlichen Erfahrungen zwingen uns also, Abschied zu nehmen von allzu konkreten, personalen
Gottesbildern.
Aber dennoch: Diese Fragen nach dem Gottesverständnis sind alt und beschäftigen uns nicht erst seit heute oder seit der Begegnung mit dem
Buddhismus. Schon die Kirchenväter haben leidenschaftlich um den personalen Gott gerungen und die Lehre vom überpersönlichen Gott bekämpft,den die Gnosis ihrer Zeit propagierte. Das Festhalten an der Personalität Gottes war für sie nie nur abstrakte Spekulation, sondern immer
auch ein Ringen um die Würde des Menschen, um das Geheimnis des Menschen, der nicht nur irgendein körperlich-geistiges Wesen und Individuum ist, sondern
eine einmalige und einzigartige Person. An der Personalität Gottes festzuhalten, bedeutet für sie – und das gilt bis heute – das Personsein des Menschen
zu schützen. Die christlich-jüdische Tradition hat das Personsein des Menschen immer hoch geschätzt. Die Philosophen der Personalität waren meist Juden
oder Christen. Martin Buber, Ferdinand Ebner und Franz Rosenzweig sind die bekanntesten Namen. In den fünfziger Jahren hat die christliche Theologie
bzw. Philosophie die personale Philosophie Bubers aufgegriffen. Im Dialog mit dem Buddhismus ist es heute an der Zeit, in einer anderen – vielleicht
psychologischeren und erfahrungsnahen – Sprache diese Theologie des Personalen neu aufzugreifen.
Gott als Beziehung
Das Bild des dreifaltigen Gottes – Zentrum des personalen christlichen Gottesbildes – drückt dies so aus: Gott ist in sich
Beziehung. Er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dass dieses Bild des dreifaltigen Gottes mit dem Selbstbild des Menschen zu tun hat, meint: Wir sind
nicht nur die, die Gott gegenüber, der weit über uns im Himmel thront, gehorsam antworten und einfach akzeptieren müssen, was er uns befiehlt. Wir sind
vielmehr als Menschenhineingenommen in die Beziehung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist. In Jesu Antlitz wird die Personalität
Gottes für uns alle sichtbar. Joseph Ratzinger hat in seiner »Einführung in das Christentum« in der Personalität Gottes die entscheidende Botschaft des
Christlichen gesehen. Mit Pascal unterscheidet er den Gott Jesu Christi, den »Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Philosophen und
Gelehrten«. Gott ist eben nicht nur Denken, nicht nur die mathematisch durchdachte Welt. Er ist ein Du, das uns gegenübertritt. Auch die Theologie des
Mittelalters hat versucht, das philosophische Gottesbild mit dem personalen Gott der Bibel miteinander zu verbinden. Gott ist für sie nicht in erster
Linie Denken, sondern Liebe. Liebe ist etwas Personales. Sie strömt zum Menschen. Sie ist Beziehung.
Der Zusammenhang zwischen dem Ringen um die Personalität Gottes und dem Menschenbild wird klar: Wenn ich nur den Gott der Philosophen, das reine
Denken, letztlich ein Neutrum, bekenne, dann fällt es mir auch schwer, mein eigenes Personsein auch als Beziehung zu entdecken. Wer Personsein nur als
etwas Äußerliches sieht und als das Eigentliche die Auflösung der Person sieht, damit sie reines Sein wird, wird Probleme mit seinem eigenen Personsein
haben. Ratzinger zeigt diesen Zusammenhang zwischen Gottesbild und Selbstbild bei den Griechen. »Das griechische Denken hat die vielen Einzelwesen, auch
die vielen Einzelmenschen, stets nur als Individuen gedeutet. Sie entstehen infolge der Brechung der Idee durch die Materie. Das Vervielfältigte ist so
immer das Sekundäre; das Eigentliche wäre das Eine und das Allgemeine. Der Christsieht im Menschen nicht ein Individuum, sondern eine
Person.« In diesem Überschritt von Individuum zu Person, geklärt im Ringen um die angemessenen Begriffe und Bilder für das Geheimnis des dreifaltigen
Gottes, kam das Wesen der Person klarer zum Vorschein: »Begriff und Gedanke ›Person‹ sind dem menschlichen Geist nicht anders als im Kampf um das
christliche Gottesbild und um die Deutung der Gestalt Jesu von Nazareth aufgegangen.«
Das Wesen des dreifaltigen Gottes ist also Beziehung. Vater und Sohn sind Beziehungsbegriffe. Sie sind aufeinander bezogen. Und Heiliger Geist meint
die Beziehung an sich. Er ist Beziehungsgeschehen. Das Nachdenken über die Bezogenheit Gottes als wesentliche Aussage über Gott hat auch zu einem neuen
Verständnis des Menschen geführt: Der Mensch ist von seinem Wesen her immer schon auf ein Du hin
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