Was die Seele krank macht und was sie heilt
dich als verläßlich für unser gemeinsames Tun. Das gilt besonders, wenn Kinder vorhanden sind. Bei kinderlosen Paaren hat die Treue einen geringeren Stellenwert.
Doch jenseits der hier erwähnten Zusammenhänge kann uns Amors Pfeil einmal treffen, wenn wir am wenigsten damit rechnen. Bleibt die grundsätzliche Treue und Verläßlichkeit zum Partner gewährt, kann eine solche Außenbeziehung unter Umständen eine gute Wirkung haben. Dieser Tenor kommt auch in einem Brief Hellingers an einen Klienten zum Tragen. Hellingers Sichtweise ist so differenziert und voller Lebensweisheit, daß hier der ganze Brief vorgestellt werden soll:
»Das erste ist, daß Du nichts über Deinen Fehltritt sagen darfst, sonst bürdest Du anderen die Last auf, die Du selber tragen mußt. Das zweite ist, daß so, wie Du die beiden Beziehungen abwägst, die eine deutlich überwiegt. Die andere scheint nur schöner, weil Du sie ohne die Verpflichtung und Belastung erlebst, die mit der vollen Sache verbunden sind. Drittens, die neue Beziehung war für Dich wichtig. Nimm sie daher als ein Geschenk. Doch sie behält vielleicht ihren Wert nur, wenn Du sie jetzt beschließt.« (FWW: 28)
V DYNAMIKEN, DIE KRANK MACHEN
Die Bindung unter den Familienmitgliedern bewirkt, daß die Spätergeborenen die Frühergeborenen festhalten wollen, damit sie nicht gehen. Wenn sie schon gestorben sind, wollen die Späteren ihnen oft in den Tod folgen, besonders dann, wenn die Früheren ein schlimmes Schicksal zu tragen hatten.
Wiederum ist es die tiefe Bindung, die gesunde Kinder sich schlecht fühlen läßt, wenn ihre Eltern leiden. Kinder wollen ihren Etern ähnlich sein. Wenn Eltern krank sind oder Schuld auf sich geladen haben, wollen die Kinder dies unbewußt auch. Wo immer in der Familie Unglück, Schuld oder schlimme Krankheit sind, wollen die Kinder daran teilhaben. Für ihre Zugehörigkeit zum Familiensystem sind sie bereit., viele Opfer zu bringen.
Auf diese Weise verzichten Kinder häufig auf ihr Glück und ihre Gesundheit. Sie haben den Glauben, daß durch ihren Verzicht auf ein volles und erfülltes Leben das Leben, das Glück und die Gesundheit der anderen gerettet werden könnte. Zu alldem trägt nicht nur die Bindung bei, sondern auch das damit verbundene Bedürfnis nach Ausgleich zwischen Vorteilen, Glück, Gesundheit, Leben und Unschuld der einen und Nachteilen, Unglück, Krankheit, Tod und Schuld der anderen. Der Ausgleich erfolgt, indem diejenigen, denen es gutgeht, es sich ebenfalls schlechtgehen lassen.
Manchmal können auf diese Weise sehr lange Familienskripte entstehen. In der Familie einer Klientin war es üblich, daß jeweils die älteste Tochter außerehelich schwanger wurde, um dann einen anderen Mann zu heiraten. Eine Stammbaumanalyse ergab, daß diese Tradition ohne eine einzige Unterbrechung seit dem 16. Jahrhundert bestand. Unbewußt tragen die Kinder den Satz in sich »Ich möchte werden wie…«, zum Beispiel wie die schwerkranke Mutter oder der früh an Krebs verstorbene Vater. Krankheit und Tod werden so »magisch« von dem Kind herbeigesehnt. Aus diesem Grund ist es neben der medizinischen Hilfe oft sinnvoll, die seelische Dynamik des Kranken mit Hilfe von Familienaufstellungen aufzudecken.
Betrachten wir nun die Dynamiken im einzelnen, die den Menschen psychisch und/oder körperlich krank machen können.
Lieber ich als du
Eine 50jährige Patientin litt unter Brustkrebs im Endstadium. In ihrem Körper gab es überall Metastasen, und sie wußte, daß der Tod nahe war.
Aus ihrer Familiengeschichte erzählte sie, daß sie sich noch heute am Sterbebett ihrer Mutter sehe. Damals war sie 17 Jahre alt. Die Mutter hatte Krebs und mußte starke Schmerzen aushalten. Das Kind hielt die Hand der Mutter und dachte immer wieder: »Ich könnte den Krebs besser aushalten als du! Warum nur du und nicht ich?« Sie erinnerte sich daran so gut, als sei es gestern gewesen.
Bert Hellinger nennt diese Dynamik »Lieber ich als du«. Über drei Jahrzehnte später ist der Kinderwunsch von damals in Erfüllung gegangen, doch das Leid der Mutter hat dies selbstverständlich nicht lindern können. Ganz im Gegenteil: In Familienaufstellungen kann man immer wieder erleben, daß der Stellvertreter des Toten sehr unglücklich darüber ist, wenn ein Spätergeborener seinem Leid noch ein weiteres hinzufügt. Der Satz des Klienten: »Du bist tot, ich lebe noch eine Weile, dann sterbe ich auch« hat dagegen etwas Versöhnliches. Je nach den Umständen
Weitere Kostenlose Bücher