Was die Seele krank macht und was sie heilt
Folge bestrafen sich Frauen oft mit Krankheiten, auch wenn das Bewußtsein voll und ganz zur Abtreibung stehen mag.
Eine andere Klientin war suizidal und hatte schwere Depressionen. Verschiedene Psychotherapien hatten ihr nicht geholfen. Eine Analyse des Gegenwartssystems ergab, daß sie - mit jeweils verschiedenen Männern - fünf Abtreibungen hinter sich hatte. Im letzten Fall handelte es sich bei näherer Betrachtung nicht um eine Abtreibung, sondern um Mord. Im siebten Monat der Schwangerschaft war die Frau zu einem Arzt gegangen und hatte ihn gebeten, das Kind zu beseitigen, weil sie es nicht wollte. Der Arzt tat ihr den Gefallen und tarnte das Ganze als mißratene Frühgeburt. Wegen mehrerer ähnlicher Fälle mußte er später ins Gefängnis. Die Frau hatte sich nie die Frage gestellt, ob ein schuldhaftes Verhalten von ihrer Seite vorlag. Ihre Seele jedoch hatte die abgetriebenen Kinder, und besonders das spät getötete, nicht vergessen. In einer Symbolaufstellung erlebte sie auf den Positionen der Kinder wie schlecht es ihnen ging. »Ich habe sie immer gehaßt! Ich habe den Gedanken an sie immer verdrängt«, sagte sie. Eine Therapie, die sich in einem solchen Fall nur symptomorientiert mit den Depressionen auseinandersetzt, ist zum Scheitern verurteilt.
Doch glücklicherweise gibt es auch einen guten Umgang mit Abtreibungen. Eine meiner Klientinnen machte intuitiv das Richtige: In einer Symbolaufstellung ihres Gegenwartssystems war deutlich zu sparen, daß es dem abgetriebenen Kind in bezug auf die Mutter gutging. In Aufstellungen stehen abgetriebene Kinder häufig sehr wackelig auf ihrem Platz. Ich fragte die Frau, wie es damals für sie gewesen war. »Schlimm«, erwiderte sie. »Ich habe lange Zeit getrauert und mich intensiv mit dem Kind beschäftigt. Irgendwann habe ich mich dann verabschiedet.« Die Beziehung mit dem Mann allerdings war vorbei. Hätte er sich genauso verhalten wie die Frau, wäre ein Neuanfang möglich gewesen.
Diese Frau verhielt sich im wesentlichen so, wie Hellinger es Frauen mit Abtreibungen rät. In einer Aufstellung läßt er die Frau beispielsweise sagen: »Mein liebes Kind! Ich gebe dir jetzt einen Platz in meinem Herzen« und » Es tut mir leid. Ich achte dein Opfer« oder »Ich nehme es von dir als Geschenk.« Auf diese Weise fühlt sich das tote Kind geachtet. Sein Tod war nicht umsonst.
Bei einer Abtreibung in einer bestehenden Beziehung rät Hellinger dem Paar, es soll eine längere Zeit (ungefähr ein Jahr) dem Kind das Leben zeigen: Blumen, Vögel, die Geschwister, die Umgebung, in der es aufgewachsen wäre ... Wer dies mit Liebe macht, wird mit einem heilsamen Schmerz konfrontiert. Wenn die Zeit dann reif ist, verabschieden sich die Eltern vom Kind. Anschließend muß es vorbei sein dürfen. Das Kind ist nun versöhnt. Für das Paar ist damit zwar die erste Beziehung vorbei, doch mit demselben Partner kann nun eine zweite Partnerschaft beginnen. In einem von Hellingers Seminaren war einmal eine Frau, die schon mehrere Abtreibungen hinter sich hatte. Er sagte der Frau: »Mit einer Partnerschaft wird es nichts mehr. Das hast du verspielt.«
Hellinger kommentierte sich anschließend selber: Was ich mit ihr gemacht habe,
»das sind ja unmögliche Aussagen, im Grunde genommen. Wenn ich mich vorsichtig ausgedrückt hätte, könnte sie sich nicht orientieren. Jetzt muß sie sich damit auseinandersetzen. Ich will darüber auch nicht mehr wissen. Das ist jetzt überhaupt nicht wichtig. Indem ich ein Gegenüber war, habe ich sie geachtet. Das Gegenüber ist eine Form der Achtung. Ich halte das, was ich sage, für richtig, aber ich glaube nicht daran. Das ist ein ganz großer Unterschied. Ich würde dafür nicht sterben wollen, aber im Augenblick ist das meine Wahrnehmung.« (ZG: 205)
Ich denke, durch dieses Zitat wird der Hintergrund der sogenannten »autoritären Art« und »Härte« Hellingers deutlich. Hellinger gehört nicht zu jenen Therapeuten, die Unverbindliches von sich geben, um dem Klienten nicht auf die Füße zu treten. Er mutet ihnen viel zu - alles andere wäre nach seinem Verständnis eine Mißachtung des Ratsuchenden. Die Kritiker Hellingers mögen auch bedenken, daß es den Klienten jederzeit freisteht zu sagen: »Der Hellinger ist ein Spinner! Ich mache meinen Stiefel wie bisher.« Die Verantwortung liegt in jedem Falle beim Klienten, nicht beim Therapeuten. Selbst wenn wir annehmen, daß Hellingers Hinweise schaden, trägt der Klient die Verantwortung
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