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Was die Seele krank macht und was sie heilt

Was die Seele krank macht und was sie heilt

Titel: Was die Seele krank macht und was sie heilt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schäfer
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christlichen Glauben und »Erde« für eine diesseits gerichtete Liebe, die das Leben vollständig bejaht - bis zum letzten Tag und mit allem, was dazugehört.
    Alldem könnte man entgegenhalten, daß auch Hellinger von einem Leben nach dem Tod ausgeht, denn er stellt die Toten bei Familienaufstellungen auf und orientiert sich an deren Reaktionen. Doch solch eine Entgegnung führt in die falsche Richtung. Die Existenz nach dem Tod ist nicht einfach ein »Weiterleben mit veränderten Bedingungen«.
    Die Reaktionen der Stellvertreter zeigen, daß die Toten weiterwirken, doch anders als die Lebenden. Der Tote lebt zwar nicht und ist abwesend, doch er existiert noch. In den Worten »anwesend sein« und »abwesend sein« sind jeweils »wesen« enthalten. Hellinger zitiert in diesem Zusammenhang gern den Philosophen Martin Heidegger: »Aus dem Verborgenen kommt etwas ans Licht ins Unverborgene, und dann sinkt es wieder zurück ins Verborgene. Das Verborgene ist anwesend auf die Weise des Verborgenen. Aber es ist nicht weg. Es taucht auf und sinkt zurück.« (SBK: 159)
    Auch das Leben entspringt dem Verborgenen, bis es am Ende wieder in dieses Reich eintaucht. Das eigentlich Bedeutsame ist nicht das, was vorübergehend im Licht aufleuchtet, sondern das große Reich des Nichterkennbaren. Nach Hellinger wirken die Toten aus jenem verborgenen Reich in unsere Sphäre hinein. Gedenkt man der Toten freundlich, haben sie auf die Lebenden eine fördernde Wirkung. Spricht eine Familie einem Toten die Zugehörigkeit zum System jedoch ab, indem sie ihn zum Beispiel tabuisiert, hat dies eine problematische Wirkung auf die Lebenden. Bildlich sind diese Zusammenhänge in den Gespenster -und Geistergeschichten dargestellt. Geister sind nämlich Wesen, denen man die Zugehörigkeit verweigert hat. Sie klopfen an, bis ihnen ein Platz eingeräumt wird. Sobald sie ihn bekommen, verhalten sie sich ruhig und haben sogar eine gute Wirkung auf die Lebenden.« (Vgl. AWI: 76)
    Das freundliche Gedenken nach dem Weggang des Familienmitglieds wird möglich, wenn man sich dem tiefen Abschiedsschmerz gestellt hat. Viele weichen diesem Schmerz jedoch aus und trauern über einen langen Zeitraum hinweg. Sie versuchen sich mit der christlichen Vorstellung zu trösten, daß sie dem Toten nach ihrem eigenen Ableben wieder begegnen. Doch ein richtiger Abschied ist nur möglich, wenn wir uns eingestehen, daß wir nichts wissen über das, was danach kommt. Gedanken über ein mögliches Wiedersehen sind nur Vermutungen und verhindern einen guten Abschied.
    Wenn der Abschied im Guten nicht gelingt, wird der Tote unnötig belastet. Diese Ansicht findet sich nicht nur bei vielen Dichtern, etwa bei Rainer Maria Rilke, sondern auch in den Weisheiten des Volksmärchens. Das folgende Märchen der Gebrüder Grimm verdeutlicht das.

    Das Totenhemdchen

    Es hatte eine Mutter ein Büblein von sieben Jahren, das war so schön und lieblich, daß es niemand ansehen konnte, ohne ihm gut zu sein, und sie hatte es auch lieber als alles auf der Welt. Nun geschah es, daß es plötzlich krank ward und der liebe Gott es zu sich nahm; darüber konnte sich die Mutter nicht trösten und weinte Tag und Nacht. Bald darauf aber, nachdem es begraben war, zeigte sich das Kind nachts an den Plätzen, wo es sonst im Leben gegessen und gespielt hatte; weinte die Mutter, so weinte es auch, und wenn der Morgen kam, war es verschwunden. Als aber die
    Mutter gar nicht aufhören wollte zu weinen, kam es in einer Nacht, in dem Hemdchen, in welchem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kränzchen auf dem Kopf, setzte sich zu ihren Füßen auf das Bett und sprach: »Ach Mutter, höre doch auf zu weinen, sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen, denn mein Totenhemdchen wird nicht trocken von deinen Tränen, die alle darauffallen.«
    Da erschrak die Mutter, als sie das hörte, und weinte nicht mehr. Und in derselben Nacht kam das Kindchen wieder, hielt in der Hand ein Lichtchen und sagte: »Siehst du, nun ist mein Hemdchen bald trocken, und ich habe Ruhe in meinem Grab.« Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid und ertrug es still und geduldig, und das Kind kam nicht wieder und schlief in seinem unterirdischen Bettchen. 25

    Beim Lesen dieses Märchens mag einem der Gedanke kommen, daß nicht nur die Toten in das Reich der Lebenden hineinwirken, sondern auch umgekehrt die Lebenden in das Reich der Toten.

Sühne für persönliche Schuld

    Wenn ein Autofahrer mit stark überhöhter

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