Was die Seele krank macht und was sie heilt
das aus einer vorehelichen Verbindung stammte. In diesem Beispiel folgt nicht der Spätere dem Früheren, sondern umgekehrt der Frühere dem Späteren. Nicht nur bei Abtreibungen, sondern auch wenn ein Kind früh an einem Unfall oder einer schweren Krankheit stirbt, läßt sich diese Dynamik zuweilen bei den Eltern beobachten.
In diesem Beispiel stellte Hellinger die Frau neben den Stellvertreter für den ersten Partner. Vor ihnen auf dem Boden saß das abgetriebene Kind und lehnte sich an die Eltern. Aus der Art, wie die Frau schaute und emotional reagierte, konnte man wahrnehmen, wie tief die Frau mit dem Kind verbunden war und daß sie ihm folgen wollte. Hellinger ließ den Mann und die Frau jeweils eine Hand auf den Kopf des Kindes legen.
Dann sagte Hellinger zu der Frau: »Du mußt es anschauen, das Kind. Sag ihm: >Ich komme auch.<«
Helen: »Ich komme auch.« (Sie weint)
Hellinger: »Hinschauen.«
Helen: »Ich komme auch.«
Hellinger: »Stimmt der Satz?«
Helen: »Ich möchte nicht.«
Hellinger: »Ich habe gefragt, ob er stimmt.«
Helen: »Ja.«
Hellinger (nach einer Weile): »Ich lasse es hier jetzt. Nimm das Gefühl ernst.«
(Helen nickt)
Hellinger: »Gut. Das war es dann.« (SBK: 47)
Auch hier sind wieder viele empört, daß der Therapeut nicht »mehr macht«. Dazu Hellinger zu den Teilnehmern dieses Seminars:
»Die Frage ist: Was ist es, das wirkt? Wirke ich? Oder was ist es, das wirkt?
Es wirkt die Wirklichkeit, wenn sie am Licht ist und angeschaut wird. Wenn jemand über die Wirklichkeit hinaus handelt, verachtet er die Wirklichkeit und stellt sich an ihre Stelle. Die Folgen davon sind schlimm.
Wirklichkeit, die angeschaut wird und geachtet wird, ist freundlich. Der Therapeut, der darüber hinaus noch etwas anderes machen will, der ist feindlich, dem Patienten und der Lösung feindlich. Er überhebt sich über die Wirklichkeit.« (SBK: 48)
Stellvertretendes Sterben in der Paarbeziehung
Zu dieser Dynamik erzählte Bert Hellinger ein Beispiel. Eine Frau litt unter vielen Tumoren und konnte kaum noch sprechen. Sie stellte ihre Gegenwartsfamilie auf und sagte: «Mein Mann hat sich vor 20 Jahren erschossen,« Der Mann war vorher verheiratet gewesen und hatte zwei Kinder aus der ersten Ehe. Auch diese Personen wurden aufgestellt. Die erste Frau und der Mann standen sich gegenüber. Der Stellvertreter des Mannes sagte: »Ich kann immer nur auf ihre Füße schauen.« Der Stellvertreterin der Frau war es, als wolle sie »fliegen«. Wenn jemand in einer Aufstellung abheben und fliegen will, so Hellingers Erfahrung, deutet das auf den Wunsch nach Selbstmord.
Hellinger bat nun den Mann, er solle sich vor die Füße der Frau knien. Daraufhin schüttelte es die Frau. Sie schluchzte laut auf und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Hellinger ließ die Frau sagen: »Ich nehme es von dir als ein Geschenk.« Das traf den Nagel auf den Kopf, denn der Mann hatte sich anstelle der Frau umgebracht. Die Frau hatte sich das Leben nehmen wollen, und der Mann hatte es stellvertretend für sie getan.
Dieser Fall wirft viele Fragen auf. Wie kommt es dazu, daß ein Mann sich für seine erste Frau umbringt, obwohl er doch schon von ihr getrennt war und mit einer zweiten Frau zusammenlebte? Wie kommt es überhaupt dazu, daß sich ein Partner für den anderen opfert? Beantworten lassen sich diese Fragen nicht, doch wird an diesem Beispiel zweifelsohne deutlich, wie tief die Bindung an den ersten Partner ist.
In einem anderen Beispiel stellte eine schwer an Lungenkrebs erkrankte Frau ihre Gegenwartsfamilie auf. Die Aufstellung ergab, daß ihr Mann beabsichtigte zu gehen, weil er seiner früh verstorbenen Mutter nachfolgen wollte. Den Schmerz über den Tod der Mutter hatte der Mann verdrängt. Auch in der Aufstellung kam er mit der Mutter nicht in Kontakt. In der Vergangenheit hatte sich die Frau dieses ungelebten Schmerzes angenommen. Wie sich später ergab, hatte die Frau schon einige Male daran gedacht, ob sie nicht etwas von ihm übernehme. Sie hatte nämlich Furcht davor, daß der Mann, der ein Kettenraucher war, an Lungenkrebs erkranken konnte. Die Frau selber war Nichtraucherin.
Nach der Aufstellung gab Hellinger dem Mann den Rat, er solle in der Wohnung ein Bild von seiner Mutter aufstellen, eine Zigarette danebenlegen und mit Liebe an sie denken. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, daß eine Heirat kein isoliertes Geschehen zwischen zwei Individuen ist, sondern immer das Herkunftssystem des Partners in
Weitere Kostenlose Bücher