Was die Seele krank macht und was sie heilt
die Paarbeziehung hineinwirkt. Aus diesem Grunde leidet die Liebe zwischen Mann und Frau, wenn ein Partner auf die Eltern des anderen böse ist.
Woran erkennt man systemische Verstrickungen?
Wenn alte ungelöste Probleme in spätere menschliche Beziehungen hineinwirken, sind Verhalten und Emotionen des Betreffenden aus seiner momentanen Lebenssituation heraus nicht nachvollziehbar. Die Identifikation mit etwas Altem wird für uns als ein »Außer-sich-Sein« wahrnehmbar. Oft kommt einem der Betreffende wie ein Besessener vor oder wie jemand, der sich in Trance befindet. Immer wenn ein Mensch intensive Gefühle und Reaktionen zeigt, die aus der gegenwärtigen Situation nicht erklärbar sind, kann das auf eine Verstrickung in alte Familienprobleme hinweisen. Nach Bert Hellingers Erfahrung sind Gerechtigkeitsfanatiker oft systemisch verstrickt. Wer zwanghaft und fanatisch für etwas kämpft, der kämpft meist für jemanden in seinem System. Als Therapeut kann man im Laufe der Zeit ein Gefühl dafür bekommen, ob Probleme entwicklungspsychologisch bedingt sind, zum Beispiel durch ein traumatisches Erlebnis, oder ob sie auf der generationsperspektivischen Ebene angesiedelt sind. Hellinger vergleicht diese Unterscheidungsfähigkeit mit dem musikalischen Gehör.
VI AUSGESUCHTE KRANKHEITEN UND KÖRPERLICHE SYMPTOME
Allgemeines
Wenn jemand krank wird, ist bei ihm meist etwas in Unordnung geraten. Schon in der Antike und im Mittelalter sah man Krankheit als Zeichen für eine Störung im Gemüt, in der Lebensausrichtung oder im Familienleben an. Religiös gedeutet, betrachtete man Krankheiten als Folge von Sünde.
Systemisch gesehen, sind die »Sünden« Verstöße gegen eine Ordnung. Für Hellinger heißt »in Ordnung bringen«:
- daß man die, die dazugehören, hereinbringt.
- daß man die achtet, die verachtet wurden und werden.
- daß man die, die ihre Zugehörigkeit zum System verspielt haben, etwa durch einen Mord, wegschickt oder ziehen läßt. (SBK: 142)
- daß man sich keine fremde Schuld auflädt.
- daß man sich zur eigenen Schuld im Leben bekennt.
In der Arbeit mit Schwerkranken hat Hellinger es nach eigener Aussage noch nie erlebt, daß in der Familie alles in Ordnung gewesen wäre. In der Regel steht die Schwere einer Erkrankung mit der Schwere des Familienschicksals in Zusammenhang.
Von den im letzten Kapitel aufgezählten Dynamiken führen insbesondere »Lieber ich als du« und »Ich folge dir nach« zu Krankheiten. Diabetes, Krebs, multiple Sklerose und viele andere schwere Krankheiten haben häufig diesen Hintergrund.
In jüngster Zeit ist es populär geworden, Krankheiten psychologisch zu untersuchen und die Symptomatik symbolisch zu deuten. Bert Hellinger hat in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Punkt hingewiesen: Es ist ein Irrglaube, wenn ein Kranker der Ansicht ist, er müsse nur den psychologischen Hintergrund erkennen und würde dann bald geheilt werden.
Hellinger geht davon aus, daß man nicht alle Krankheiten mit dem systemischen Geschehen in der Familie in Verbindung bringen kann. Oft stellt sich ein Kranker beispielsweise die Fragen: - Was habe ich getan, daß ich Krebs bekommen habe? Was ist hier der systemische und psychologische Zusammenhang?« Die Mentalität, die hinter solchen Fragen steckt, entsprich! dem schon in der Einführung beschriebenen konstruktivistischen Zeitgeist: »Sofern ich mir nur bestimmte Informationen beschaffe, kann ich alles wieder in Ordnung bringen - Gesundheit ist programmierbar. Ich muß nur den alten schädlichen >input< durch einen besseren ersetzen.« Wenn diese Methode dann nicht funktioniert, kommt der Kranke zu völlig falschen Schlüssen. Bis zum Ende glaubt er, er habe nicht radikal genug »umprogrammiert«.
Mit solch einer Einstellung muß sich der Kranke nicht der schicksalhaften Krankheit und dem vielleicht schon vor der Tür stehenden Tod stellen. Nach Hellingers Erfahrung wirkt eine derartige Haltung in der Seele unheilvoll, weil dahinter eine Anmaßung steht. Die meisten von uns fallen sehr schnell diesem heute so typischen Machbarkeitswahn zum Opfer.
Statt alles möglichst rasch wieder unter Kontrolle bringen zu wollen und statt der Neugier nachzugeben, geht es für den Kranken darum, sich respektvoll und in Demut seinen Schicksalskräften zu nähern. Solch eine Haltung kann keine
Garantie für eine Heilung sein, doch sie eröffnet eine Chance darauf.
Ein lebensgefährlich Erkrankter kann sich zum Beispiel, so Hellingers
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