Was die Tiere im Park erlebten
friedlichen Zeiten viele daran glauben müssen.«
»Ja«, unterstützte ihn der Oberste Hase. »Wir Nagetiere leben gefährlich, wenn Fleischfresser in der Nähe sind. Im vergangenen Winter wurde eines meiner Jungen von einem Tier aus dem Park getötet.«
»Das war ein Hermelin«, sagte der Dachs. »Das, mit dem ich einmal einen Streit hatte. Ja. Gegen die Natur können wir nichts ausrichten.«
»Und was soll jetzt mit dem Narbigen werden?« fragte das Oberste Kaninchen. »Soll er weiterleben dürfen?«
Ein langes Schweigen folgte. Niemand getraute sich als erster zu sprechen. Schließlich sagte der Fuchs: »Ich frage den Alten Hirsch um Rat. Seid ihr damit einverstanden?« Keines der Tiere widersprach, nicht einmal die Oberste Wühlmaus.
»Also abgemacht. Ich gehe jetzt und berichte ihm über die Ereignisse dieser Nacht. Er ist nun einmal der Herrscher des Parkes, die Entscheidung liegt bei ihm.«
»Und wie sollen wir uns in der Zwischenzeit verteidigen?« wollte das Eichhörnchen wissen.
»Für Baumkletterer wie dich ist das doch einfach«, meinte das Kaninchen. »Denk mal an mich und die Wühlmaus...«
»Bleibt alle zusammen«, sagte der Fuchs. »Ich mache meinen Besuch und komme so schnell wie möglich zurück. Zusammen seid ihr sicher.«
Und schon war er auf und davon und überließ dem Dachs und der Füchsin die Oberaufsicht.
Es war nicht lange nach seinem Weggehen — die Tiere hatten ausführlich über das seinerzeitige Versprechen des Hirsches gesprochen, dem Narbigen ins Gewissen zu reden — , als die Kreuzotter in ziemlich erschöpftem Zustand herangekrochen kam und ihnen eine Nachricht überbrachte, die wirklich keiner erwartet hatte.
Nach ihrem Gespräch mit der Kröte hatte die Kreuzotter beschlossen, unverzüglich ihren Plan auszuführen. Sie war eigentlich recht dankbar für ihre Einsamkeit, weil diese es ihr ermöglichte, ohne Einmischung von außen zu handeln. Aber bevor sie zuschlagen konnte, mußte sie wissen, was der Narbige machte. Dicht am Bach rollte sie sich an einem Weidenrosenbusch zusammen und beobachtete das Kommen und Gehen am Ufer. Einmal fing sie eine Wassermaus, aber abgesehen davon fraß sie nichts. Dann kam die Nacht des Alleinangriffs des Narbigen.
Die Kreuzotter sah ihn zum Ufer humpeln und behutsam ins Wasser gleiten. Er hatte beim Schwimmen Schwierigkeiten, und die Kreuzotter sah mit Befriedigung, daß er kaum laufen konnte. Jetzt brauchte sie nur noch auf seine Rückkehr zu warten. Sie sah, daß die Stelle, die er sich für seinen Abstieg ausgesucht hatte, nicht so steil war wie das übrige Ufer, hoffte, daß der Narbige auch an dieser Stelle wieder zurückkommen würde, und glitt am entgegengesetzten Ufer ins Wasser.
Die Kreuzotter war eine gute, wenn auch keine begeisterte Schwimmerin. Normalerweise schwamm sie nur, wenn es nötig war. Heute ging sie aus freien Stücken ins Wasser. Zuerst wurde sie von der Strömung abgetrieben, aber sie kämpfte dagegen an, hielt sich am Ufer und schlängelte sich auf die flache Stelle zu. Dann fand sie mitten im Bach Schlingpflanzen und wickelte sich fest darum, nur ihr Kopf ragte über die Wasseroberfläche. So verging die Nacht.
Als der Morgen dämmerte, freute sie sich, denn das Wasser war kalt, und mit den ersten Sonnenstrahlen begann es sich aufzuwärmen. Die Kreuzotter hielt ihre liderlosen Augen fest auf das Ufer gerichtet, sie wußte, daß sie von dort aus nicht zu sehen war. Schließlich erblickte sie im frühen Morgenlicht die Gestalt, auf die sie wartete.
Das Gesicht des Fuchses trug ganz unverkennbar einen Ausdruck von Bosheit und Grausamkeit, als er nach rechts und links blickte. Oben am Ufer setzte er sich und gähnte beim Anblick des Wassers. Ein paar Minuten saß er ganz still und lauschte mit gespitzten Ohren auf das leiseste Geräusch. Dann blickte er über den Bach und direkt zur Kreuzotter hin.
Die Schlange ließ sich tiefer in das Geriesel sinken, so daß ihr Kopf bis auf die Nasenöffnungen fast ganz unter Wasser lag. Wieder vergingen einige Minuten. Nichts geschah. Die Kreuzotter riskierte einen Blick. Immer noch saß der Narbige am Ufer, aber er hatte den Kopf abgewandt und blickte zurück. Da wußte die Kreuzotter, daß er sie nicht gesehen hatte.
Der Narbige blickte sich wieder um, und dann stand er auf. Langsam, sehr langsam ließ er sich das Ufer hinabgleiten. Die Kreuzotter machte sich bereit. Der Fuchs watete in den Bach und paddelte steif auf die Bachmitte zu. Unbeweglich
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