Was die Tiere im Park erlebten
einladend.
Als er dann wieder aufwachte und schläfrig blinzelte, fand er vor sich etwas rohes Hackfleisch und einen Teller warme Milch. Es gelang ihm, an das Fressen heranzukommen, und er verschlang es gierig. Das schien seinen Retter zu freuen, denn als der Dachs sich beobachtet fühlte, blickte er auf. Der Mann lächelte freundlich, und der Dachs war erstaunt, ja fast entsetzt über die Heiterkeit des menschlichen Gesichtes. Noch nie hatte er einen Menschen aus der Nähe gesehen. Er spürte etwas Geheimnisvolles, ja Ehrfurchtgebietendes: etwas, das weit über seine Erfahrungen und Begriffe hinausging.
Der Wildhüter hielt sich nicht länger mit ihm auf, und so konnte der Dachs sein Mahl in Ruhe und Frieden genießen. Als er in das für ihn gemachte Bett zurücksank, dachte er an seine Freunde im Park und daß er ihnen hatte helfen wollen. Eine schöne Hilfe war er gewesen. Sie litten immer noch unter dem grimmigen Winter — kämpften gegen die Elemente, drohten zu unterliegen. Er wußte, daß man seine Abwesenheit bemerken würde. Die Tiere würden nichts über sein Schicksal erfahren, so wie er nichts über das ihre erfahren würde. Ob er je wieder würde laufen können? Er wußte, der Wildhüter meinte es gut mit ihm. Aber wie lange mußte er noch hierbleiben? Wie schrecklich, daß er so hilflos war.
Diese Hilflosigkeit machte ihn noch trauriger, und in seinem geschwächten Zustand fiel er bald wieder in Schlaf. Er merkte nicht, daß der Wildhüter mehrere Male, während er schlief, zu ihm hineinschaute und sich über sein Schnarchen amüsierte. Aber als er abends zu seiner gewohnten Zeit aufwachte, stand vor ihm ein neuer Teller mit Gehacktem und dazu frisches Wasser.
Kaum hatte er alles gefressen, da spürte er, daß jemand im Zimmer war, obwohl er keinerlei Bewegung hören konnte. In dem schwachen Licht, an das er gewöhnt war, erkannte er bald ein Paar grüne Augen, die ihn von der Tür her unverwandt anstarrten. Sie gehörten einer großen, rotbraunen Katze, dem Haustier des Wildhüters.
»Dir geht es aber nicht gut«, meinte sie und kam auf leisen Pfoten unendlich gelassen auf ihn zu. Am Korb angelangt, neigte sie den Kopf und beschnupperte den Dachs sehr lange. »Du riechst nach wildem Tier«, meinte sie.
Ihre Kaltblütigkeit verblüffte den Dachs. Schließlich war er keine Maus oder Taube, sondern ein großes, ungezähmtes kraftvolles Tier.
»Hast du mein Fleisch gefressen?« war ihre nächste Frage. »Dein Herrchen hat es mir gegeben«, erwiderte der Dachs. Sofort gab die Katze zurück: »Ich habe kein Herrchen. Ich bin mein eigener Herr. Ich mache, was ich will.«
»Warum frißt du dann das Fleisch, daß dir die Menschen geben?« fragte der Dachs hinterlistig.
»Warum sollte ich nicht?« wollte die Katze wissen, aber ihr Schwanz zuckte etwas irritiert. »So brauche ich mich nicht selbst um Futter zu bemühen.«
Der Dachs schwieg.
»Ich habe sowieso nichts dagegen, daß du es gefressen hast«, sagte die Katze lässig. »Es gibt noch viel mehr davon, und noch alle möglichen anderen Sachen. Magst du Fisch?«
»Ein paarmal habe ich schon Fisch gegessen«, antwortete der Dachs.
»Hm, was frißt du denn sonst?«
»Raupen, Wurzeln, Knollen, kleine Tiere...«
»Auch Ratten?«
»Manchmal.«
»Gut. Dann haben wir etwas gemeinsam. Ich mache schrecklich gern Jagd auf Ratten.«
»Gibt es hier viele?« wollte der Dachs wissen, der dabei sofort an den Fuchs und die Füchsin und auch an den Waldkauz dachte.
»Nicht mehr, seitdem ich hier auf getaucht bin«, prahlte die Katze und spreizte ihre Krallen. »Der Mann hat mich vor zwei Wintern als kleines Kätzchen hierhergebracht.«
Der Klang menschlicher Schritte machte ihrer Unterhaltung eine Ende. Der Wildhüter betrat den Raum, und der Dachs bemerkte mit Erstaunen, wie dieses gezähmte Tier vollkommen den Charakter wechselte. Es lief auf sein Herrchen zu und verwandelte sich in ein spielerisches und zärtliches Haustier, rieb sich an seinen Beinen und schnurrte laut; dann flitzte es in eine Ecke, sprang zurück und fing wieder von vorn an. Der Mann sprach mit seinem Tier, und sofort fing es noch lauter an zu schnurren.
Natürlich! Es war Essenszeit für die Katze, und das Um-die-Beine-Streichen und das Recken und Strecken und Miauen würde so lange weitergehen, bis sie ihr Fressen bekam. Es hörte dann auch sofort auf, denn nun war die Mahlzeit viel wichtiger.
Auch der Dachs wurde vom Wildhüter angeredet. Natürlich verstand er kein Wort, aber
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