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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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Heathers Vernehmung noch ein wenig Zeit lassen, aber mein Chef meint, es könnte für uns sogar von Vorteil sein, wenn wir die Sache gleich durchziehen.«
    »Sie meinen, wenn sie eine Schwindlerin ist, könnte sie Miriam sonst reinlegen und von ihr Informationen erhalten, ohne dass diese es merkt.« Er schüttelte den Kopf. »Sie wird Miriam nicht reinlegen. Niemand kann Miriam reinlegen.«
    »Wir machen uns deshalb keine allzu großen Sorgen. In dem Fall könnten wir immer noch Epithelzellen entnehmen. Aber wenn wir sie eindeutig ausschalten könnten, sie quasi durch die Tatsachen zu Fall bringen könnten, wäre das gar nicht verkehrt.«
    »Epi…?«
    »DNA. Ich habe nur etwas großspurig den wissenschaftlichen Ausdruck benutzt, und noch nicht einmal korrekt.«
    »DNA, aber natürlich. Der Polizei ihr liebstes neues Kind.« Er trank noch einen Schluck von seinem kalten Tee. Also hatte Miriam ihnen nichts erzählt, und sie hatten sie nicht danach gefragt. Sie hatten es beide als gegeben vorausgesetzt,
warum auch nicht? Einige Dinge waren unerwähnt geblieben, Schlussfolgerungen wurden gezogen. Vermutlich war es sein Fehler, und er hatte so oft über die Jahre hinweg daran gedacht, ihn wiedergutzumachen. Aber damals war er es Dave schuldig gewesen.
    Er schob die Unterlagen mit so viel Schwung von sich, dass einige über den glattpolierten Mahagonitisch rutschten. Ein Tisch, der staubig und speckig war, wie er nun in Gegenwart dieser quicklebendigen jungen Frau bemerkte.
    »Sie können sich vermutlich nicht vorstellen, dass man so etwas einmal überhat, oder? Sie denken, man kann das Feuer immer wieder neu entfachen. Ein altes Sprichwort besagt, dass Kriegsrösser auf Rauch reagieren. Aber bedeutet es, dass das Pferd wieder in die Schlacht ziehen oder ihr aus dem Weg gehen will? Ich bin immer von Letzterem ausgegangen. Ich habe als Kriminalkommissar gute Arbeit geleistet. Als ich mich zur Ruhe setzte, söhnte ich mich mit der Tatsache aus, dass dieser eine Fall ungelöst bleiben würde, dass man nicht alles wissen konnte. Ich habe sogar – lachen Sie jetzt nicht – eine übernatürliche Erklärung in Betracht gezogen. Gekidnappt von Außerirdischen, warum nicht?«
    »Aber wenn man tatsächlich neue Antworten bekommen kann, dann …«
    »Mein Bauch sagt mir, dass sich das Ganze als Schwindel herausstellen wird, eine sinnlose Verschwendung von Zeit und Energie. Tut mir leid für Miriam, die extra hierhergeflogen kommt und jetzt gezwungen ist, das Einzige, was sie nie glauben wollte, in Betracht zu ziehen. Dave war es gewesen, der sich an die Hoffnung geklammert hatte, bis es ihn umgebracht hat. Miriam war es gelungen, die Realität anzunehmen, einen Weg zu finden, damit klarzukommen und weiterzuleben, so schwer es auch gewesen sein mag.«
    »Ihr Bauchgefühl ist genau das, was wir hier brauchen. Zusammen mit mir in einem Raum, mit ihr auf Augenhöhe. Der
Polizeichef wird deswegen noch persönlich auf Sie zukommen, falls Sie Wert darauf legen.«
    Willoughby ging zum Fenster hinüber. Es war bewölkt und kalt draußen, selbst für einen launischen Märztag. Trotzdem, er konnte noch Golf spielen gehen, wenn er wollte. Golf, das Spiel, das niemand jemals wirklich beherrschte, das Spiel, das einem jedes Mal zeigt, wie klein der Mensch ist, wie unvollkommen. Er hatte immer behauptet, er würde niemals spielen, sich niemals auf ein Dasein im Country Club einlassen, das ihm im Prinzip von Geburt aus zustand, aber die unausgefüllten Tage im Ruhestand hatten ihn dazu getrieben, und jetzt kam er nicht mehr los davon. Er war erst fünfundvierzig, als er sich zur Ruhe setzte. Wer geht denn mit fünfundvierzig bereits in Rente?
    Ein Versager.
    Er hatte nie vorgehabt, so lange bei der Polizei zu bleiben. Ursprünglich wollte er nur fünf Jahre lang dort arbeiten und dann zur Staatsanwaltschaft wechseln. Er hatte sich ausgemalt, in Maryland für das Amt des Justizministers zur Wahl anzutreten, als der Kandidat, der das Gesetz von jeder Warte aus kannte und sich vielleicht irgendwann mal zum Gouverneur aufstellen ließ. Als junger Mann, direkt nach dem Jurastudium, hatte er voller Zuversicht Zukunftspläne geschmiedet – Fünfjahrespläne, Zehnjahrespläne, Zwanzigjahrespläne. Mit dreißig kam er zum Morddezernat und beschloss, noch ein wenig länger zu bleiben, vielleicht einen oder zwei berühmte Fälle zu lösen, damit er sich noch besser profilieren konnte. Innerhalb des ersten Jahres bekam er den Bethany-Fall. Er blieb weitere

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