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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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es geschafft, sich bei dieser Frage aus der Affäre zu ziehen, indem sie ihnen von einem schändlichen Verbrechen erzählte und einen Polizeibeamten als Täter hinstellte. Sie hatte ihnen eine Menge preisgegeben – zu welchem Zweck? Und was wollte sie ihnen verheimlichen?
    Er verließ das Haus und die Reynolds Street. Es war auch schon vor dem Brand ein deprimierender Ort gewesen. Ein Haus, in dem gleich zwei frustrierte und unglückliche Menschen gewohnt hatten. Ein Haus des Zanks und der Beleidigungen. Er wusste, wie das war, weil er selbst bereits zweimal in einem derartigen Haus gelebt hatte. Na ja – einmal zumindest, bei seiner zweiten Ehe. Seine erste Ehe war okay gewesen, solange sie hielt. Tabby war ein wirklich nettes Mädchen. Wenn er sie jetzt treffen würde … Aber er würde sie nie mehr wiedersehen, nicht die Tabby, die er vor zwölf Jahren in der Wharf Rat entdeckt hatte. Sie existierte nicht mehr, war durch eine andere abgelöst worden, die Kevin Infante für einen Betrüger und Herumtreiber hielt. Er traf sie manchmal – Baltimore war in dieser Hinsicht ein Dorf -, und sie waren immer höflich zueinander. Sogar freundschaftlich, sie lachten über ihre Ehe, als ob es nichts weiter als ein Ausflug mit Unfällen gewesen wäre, ein einziges spaßiges Missgeschick. Nach einem Jahrzehnt zeigten sie Nachsicht mit ihren jüngeren Ausgaben.
    Dennoch hatte sich ein Schleier über ihre Augen gelegt, der nie ganz verschwand, ein Hauch von Enttäuschung. Er würde
alles dafür geben, wenn er Tabby noch einmal so erleben könnte, wie in der ersten Nacht in der Wharf Rat, als sie ihn angesehen hatte wie jemanden, den sie bewunderte und respektierte.
     
    In einer der Broschüren in der Eingangshalle des Best Western stand etwas von einem Fort auf St. Simons Island, und er beschloss, sich dort die Zeit zu vertreiben, bis das Mullet Bay für Dinnergäste aufmachte. Er war nicht zum ersten Mal an der Stätte einer historischen Schlacht und zugleich enttäuscht davon – mit zehn hatte er das Alamo besichtigt -, aber wo das Fort Frederica einst gestanden hatte, waren noch nicht mal mehr Mauerreste zu sehen. Er starrte auf ein Meer aus Algen, das als Blutige Marsch bekannt war, als sein Handy klingelte.
    »Hey, Nancy.«
    »Hey, Infante.« Er kannte diesen Tonfall. Er konnte Nancys Stimmungen anhand ihres Tonfalls besser einordnen als die seiner beiden Exfrauen. Sie würde ihm gleich eine schlechte Nachricht übermitteln.
    »Sag’s schon, Nancy.«
    »Unser Mädel hat beschlossen, dass sie reden möchte. Heute.«
    »Ich komme heute Abend zurück. Kann es nicht warten?«
    »Das dachte ich auch, aber Lenhardt meint, wir müssten sie bei Laune halten. Er will, dass ich bei ihr bleibe. Ich glaube, er macht sich Sorgen wegen der Presse, wenn ihre Mutter hier eintrifft. Niemand hat damit gerechnet, dass sie so schnell hier sein würde und … Na ja, wir können der Mutter nichts vorschreiben. Sie kann reden, mit wem sie will.«
    Frei, weiß und einundzwanzig , wie Tolliver es nennen würde.
    »Ja, es könnte sich als gefundenes Fressen für die Presse erweisen.« Es war schon erstaunlich, dass sie so lange unentdeckt operieren konnten, ihr einziger Vorteil. »Verdammt aber auch. Wann kommt sie an?«
    »Zweiundzwanzig Uhr. Kurz nach dir. Da ist noch so was …«

    »Oh, komm schon, soll das heißen, ich muss sie abholen? Bin ich in den letzten vierundzwanzig Stunden degradiert worden?«
    »Der Sergeant dachte, es wäre nett, wenn sie jemand abholen würde, und wir wissen nicht, wie lange das hier dauern wird. Nett und … na ja, angebracht. Wir wollen sie im Auge behalten, weißt du?«
    »Ja.«
    Infante klappte angewidert sein Handy zu und starrte weiter auf die Marsch. Die Schlacht war anscheinend gar nicht so blutig gewesen. Die britischen Truppen hatten eine spanische Invasion niedergeschlagen während der Kampfhandlungen, die als »War of Jenkin’s Ear« in die Geschichte eingingen. Was für eine geringschätzige Bezeichnung für eine Schlacht, aber dann wiederum schlug er ja selbst seine kleine, unbedeutende Schlacht, tummelte sich in Georgia, während seine ehemalige Teampartnerin die Führung übernahm, indem sie eine Befragung durchführte, die er hätte machen sollen. Die Schlacht um Infantes linken Hoden. Dass Nancy ihm nicht in den Rücken gefallen war oder sich gezielt in diese Position manövriert hatte, machte es nur noch schlimmer. Sie war nicht intrigant. Er fragte sich, ob Heather wusste, dass er in

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