Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
Vom Netzwerk:
Georgia war, und sie deshalb plötzlich so scharf darauf war, alles zu erzählen.
    Verdammt, Brunswick war ihm so zuwider.

Kapitel 28
    »Wir könnten Ihre Hilfe wirklich gut gebrauchen.«
    Willoughby hatte die Worte vernommen, sie verstanden und dennoch gelang es ihm nicht, darauf zu antworten. Er war viel zu gebannt von der Sprecherin, verzaubert und erfreut von ihrer bloßen Anwesenheit. Ein altmodisches Mädchen .
Willoughby wusste, dass er sich sexistisch benahm, aber er konnte nicht umhin, die junge Kriminalbeamtin anzustarren. Sie war sehr kurvenreich, mit einer Figur wie aus dem neunzehnten Jahrhundert, und das am Anfang des einundzwanzigsten, mit diesen hübschen roten Wangen und glatten blonden Haaren, die aus ihrem eilig gebundenen Knoten rutschten. Als er noch im aktiven Dienst war, hatte es auch schon Frauen bei der Polizei gegeben. Ende der Achtziger hatten es sogar welche bis ins Morddezernat geschafft. Aber sie hatten mit Sicherheit nichts von dieser hier.
    »Ich war bis kurz vor vier wach«, sagte Nancy ernst, »und bin durchgegangen, was bei dem Fall ausgefiltert wurde und was unter Verschluss geblieben ist. Aber es ist viel zu viel auf einmal, und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht dabei helfen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.«
    Sie schob ihm zwei Ausdrucke hin. Nicht nur getippt, sondern auch farblich abgehoben in Rot und Blau. Rot für das, was öffentlich bekannt, Blau für das, was zurückgehalten worden war. Es kam ihm ein wenig verspielt vor, aber vielleicht machte man das inzwischen so bei der Polizei, jetzt, wo alle Computer hatten. Mit Sicherheit hätte er sich zu seiner Zeit niemals getraut, solcherart vorzugehen; wenn er daran dachte, wie seine Kollegen immer auf der Suche nach Anzeichen von Schwäche bei ihm waren. Verweichlichung war das eigentliche Wort, aber hätte er es jemals vor seinen Kollegen laut ausgesprochen, hätten sie es als Indiz genommen, dass er tatsächlich verweichlicht war.
    »Bis vier Uhr morgens?«, murmelte er. »Dabei ist es erst Mittag. Sie müssen erschöpft sein.«
    »Ich habe einen sechs Monate alten Sohn. Erschöpfung ist bei mir der Normalzustand. Tatsächlich hatte ich vier Stunden Schlaf am Stück, sodass ich mich relativ ausgeruht fühle.«
    Willoughby gab vor, die Unterlagen vor ihm zu studieren, aber er wollte sich nicht darauf konzentrieren, wollte sich nicht
auf die roten und blauen Buchstaben einlassen. Unter dieser beschaulichen Sammlung alter Fakten verbarg sich ein Strudel. Er hatte kein Bedürfnis, sich da wieder hineinziehen zu lassen, über all seine Misserfolge nachzudenken. Nicht dass ihm jemals jemand Vorwürfe gemacht oder ihn verdächtigt hätte, irgendwie daran schuld zu sein. Sosehr sich seine Vorgesetzten auch eine Lösung des Falls herbeigewünscht hätten, hatten sie doch verstanden, dass es Pech war, einer dieser mysteriösen Fälle, der ebenso gut der Twilight Zone hätte entsprungen sein können. Noch nicht einmal Dave hatte ihm am Ende etwas vorzuwerfen. Und bis Willoughby das Dezernat verließ, hatte er in sonstiger Hinsicht erreicht, was er erreichen wollte. Er war einer von ihnen. Zäh. Hartnäckig. Nie weich und schon gar nicht verweichlicht.
    Dennoch hatte es lange Zeit an ihm genagt, dass es ihm im Bethany-Fall nicht gelungen war, wesentliche Fortschritte zu erzielen. Und da war diese junge Frau – Mann, war die hübsch und außerdem noch seit kurzem Mutter, man stelle sich das mal vor -, und erzählte ihm, dass ein Polizeibeamter beschuldigt wurde, einer von ihnen, ein Mann seines Alters. Er erinnerte sich an keinen Stan Dunham, und Nancy hatte gesagt, dass er bis zu seiner Pensionierung 1974 beim Raubdezernat gearbeitet habe, aber trotzdem: Das wäre wirklich äußerst blamabel. Er wusste, wie es aussehen würde, falls dieses junge Ding, diese Frau, die Wahrheit sagte. Direkt vor ihrer Nase, die ganze Zeit über . Es würde vermutlich Spekulationen über eine Vernebelungsaktion, über eine Verschwörung geben. Die Leute liebten Verschwörungen.
    »Das da«, sagte er und wies auf eine Zeile in Blau, eine Zeile in Großbuchstaben und mit Leuchtstift markiert. »Das ist es. Das brauchen Sie. Es gibt nur wenig Leute, die Genaueres darüber wissen – ich, Miriam, Dave, der junge Polizist, der an diesem Abend dabei war, und wer immer Zutritt zum Beweismaterialraum hatte.«

    »Das sind nicht wenige. Außerdem ist der Beschuldigte Polizeibeamter, jemand, der Zugang zum Morddezernat hatte.«
    »Sie meinen also,

Weitere Kostenlose Bücher