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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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sich nach dreißig Jahren noch daran erinnern?«, fragte Miriam und gab auch gleich selbst die Antwort. »Mit Sicherheit würde niemand, der Bop-Bop begegnet war, sie so schnell wieder vergessen. Sie war ein harter Brocken.«

    Willoughby lächelte.
    »Was denn, Chet?«, herrschte Miriam ihn an, was sie gar nicht wollte. »Was ist denn so lustig?«
    Er schüttelte den Kopf und wollte nichts dazu sagen, aber Miriam fing seinen Blick ein und starrte ihn an. Sie sollte nicht die Einzige sein, die heute Morgen Fragen beantwortete.
    »Sie sind einfach immer noch ganz die Alte. Ihre … Offenheit. Da hat sich nichts geändert.«
    »Es ist noch schlimmer geworden, würde ich sagen, jetzt, wo ich eine alte Frau bin und mir egal ist, was andere von mir halten. Okay, diese Person kennt also Bop-Bop und weiß, wie Heathers Tasche aussieht. Warum glauben Sie ihr dann nicht?«
    »Na ja, da ist zum Beispiel die Tatsache, dass sie sich nicht an den Musiklehrer erinnert, während der felsenfest behauptet hat, er habe sie gesehen«, fuhr Nancy fort. »Und in den ursprünglichen Unterlagen haben Sie den Ermittlern geschildert, dass Heather eine kleine Schachtel in ihrem Zimmer aufbewahrte, mit dem Geld, das sie zum Geburtstag und zu Weihnachten bekommen hatte. Aber das Geld – Ihrer Erinnerung nach zwischen vierzig und sechzig Dollar – fehlte. Also hat Heather das Geld an jenem Tag mit in die Mall genommen, doch als wir nach dem Inhalt der Handtasche fragten …«
    »Die Tasche war leer, als ich sie gefunden habe.«
    »Richtig. Wir wissen das. Aber Heather konnte das nicht wissen, es sei denn, sie hat sie eigenhändig ausgeräumt und sie dorthin geworfen, und das würde wohl ein jeder bezweifeln. Diese Frau hat aber nichts davon erzählt. Sie sagte, es sei ein bisschen Kleingeld, eine Bürste und ein Bonne-Belle-Ligloss darin gewesen, weil sie noch keinen richtigen Lippenstift benutzen durfte.«
    »Es gab bei uns an und für sich keine Regeln zu Make-up. Ich sagte ihr, dass es an kleinen Mädchen albern aussehen würde, aber sie konnte es sich selbst aussuchen. Bonne-Belle-Lipgloss könnte es aber gewesen sein. Das wäre plausibel.«

    Nancy seufzte: »Alles, was sie sagt, klingt plausibel. Zumindest wenn sie diesen Tag, und was geschehen ist, beschreibt. Wenn sie aber zu der Entführung kommt und …« Ihre Stimme versagte.
    »Dem Mord an Sunny«, fuhr Miriam für sie fort. »Sie haben es bisher vermieden, mit mir über diesen Teil zu sprechen.«
    »Es ist einfach zu ungeheuerlich, wie etwas aus einem Film. Viele Details, die sie nennt – was die Mädchen an jenem Morgen gefrühstückt haben, wie sie mit dem 15er Bus zur Mall gefahren sind -, das alles konnte man auch in der Zeitung nachlesen, ebenso wie die Geschichte mit dem Platzanweiser, der sich daran erinnert, sie aus Chinatown rausgeschmissen zu haben – das alles klingt wahr. Aber dass sie von einem Cop entführt worden sind, der sie zu einer entlegenen Farm brachte und beschloss, Heather am Leben zu lassen, nachdem sie Zeuge am Mord an ihrer Schwester geworden war? An dieser Stelle lässt sie die Einzelheiten weg, und die Geschichte wirkt nicht mehr überzeugend.«
    »Liegt es daran, dass er ein Cop war?«, fragte Miriam. »Ist es das, was es so unglaublich macht?«
    Keiner der vier Polizisten reagierte darauf zu bereitwillig oder vorschnell, keiner schwor hoch und heilig, dass es ihnen nicht schwergefallen war, einen aus ihren eigenen Reihen als Mörder und Bestie in Betracht zu ziehen. Infante, der Gutaussehende, der sie vom Flughafen abgeholt hatte, sprach zuerst.
    »Die Sache mit dem Polizisten ergibt auf gewisse Weise sehr viel Sinn. Damit kann man zwei kleine Mädchen weglocken – indem man jeder von ihnen die Dienstmarke zeigt und sagt, man habe die Schwester und sie wäre in Schwierigkeiten. Jedes Kind würde einem Polizisten folgen.«
    »Die Kinder von Dave Bethany im Jahre 1975 möglicherweise nicht – Dave nannte Polizisten Bullen, bis wir uns in ihrer Schuld befanden und Chet unser Vertrauter und Freund wurde.« Das war ein bewusstes Kompliment an Chet, ihre Art,
den scharfen Ton von vorhin wiedergutzumachen. »Aber gut, ich verstehe Ihren Standpunkt.«
    »Es ist nur so, dass dieser bestimmte Polizist da nicht wirklich reinpasst«, fuhr Infante fort. »Er war beim Raubdezernat, ein guter Mann, sehr beliebt. Von uns kannte ihn zwar keiner, aber die Jungs, die ihn kannten, sind völlig vor den Kopf gestoßen, dass er irgendwas mit dem Fall zu tun haben

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