Was die Toten wissen
ja wissen.«
»Ich gehe nur spazieren«, sagte sie. »Ist das verboten?«
»Infante war heute Nachmittag bei Stan Dunham. Dort hat er ein paar interessante Sachen gefunden.«
»Stan Dunham ist gar nicht in der Lage, irgendwem etwas zu erzählen, selbst wenn er wollte.«
»Ist ja interessant, dass Sie das wissen, weil Sie gestern noch nichts davon erwähnt haben und Sie diese Information auch nicht von mir haben können, weil ich Sie unbedingt in dem Glauben lassen wollte, dass er Ihnen widersprechen könnte. Gestern haben Sie angedeutet, dass Sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hatten.«
»Hatte ich auch nicht.«
Die Kriminalbeamtin öffnete die hintere Tür. Es war ein richtiger Einsatzwagen, mit einem Drahtgitter zwischen Vordersitzen und Rückbank. »Ich möchte keine Handschellen anlegen, wegen Ihres Armes und weil nichts gegen Sie vorliegt – noch nicht. Aber dies ist nun Ihre letzte Chance, uns zu erzählen, was mit den Bethany-Mädchen passiert ist, Ruth. Gesetzt den Fall, Sie wissen es.«
»Ich bin schon seit Jahren nicht mehr Ruth«, sagte sie beim Einsteigen. »Von all meinen Namen habe ich Ruth am meisten gehasst. Ich habe es am meisten gehasst, Ruth zu sein.«
»Also gut, entweder nennen Sie uns jetzt Ihren derzeitigen Namen oder Sie verbringen die Nacht im Frauengefängnis. Wir haben fünf Tage lang Nachsicht geübt, aber die Zeit ist abgelaufen. Sie werden uns jetzt sagen, wer Sie sind und was Sie über die Dunhams und die Bethany-Mädchen wissen.«
Wenn sie hätte benennen sollen, was sie gerade empfand, hätte sie wahrscheinlich Erleichterung gesagt, das Wissen darum,
dass es endlich vorbei war, ein für alle Mal. Dann wiederum hätte es ebenso gut Höllenangst sein können.
Kapitel 40
»Wir könnten sie Ihnen über die Videoüberwachungsanlage zeigen«, bot Infante Miriam an. »Oder sie im Flur an Ihnen vorbeiführen, damit Sie sie direkt sehen können.«
»Ist es denn völlig ausgeschlossen, dass sie Heather ist?«
»Nicht, wenn sie Ruth Leibig ist, und sie hat so gut wie zugegeben, dass das ihr Name war. Ruth Leibig hatte 1979 in York in Pennsylvania die Highschool abgeschlossen und noch im selben Jahr den Sohn der Dunhams geheiratet. Heather wäre da sechzehn gewesen. Die Heirat wäre legal gewesen, insbesondere mit den Dunhams als Trauzeugen. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass Heather die Highschool zwei Jahre früher abgeschlossen hat?«
»Ich bin darauf gestoßen«, warf Willoughby ein, und Infante nahm ihm das bisschen Wichtigtuerei nicht übel. Irgendwann wäre Infante ebenfalls die Diskrepanz bei den Daten aufgefallen. Aber Fakten wie das Geburtsdatum der Mädchen waren in Willoughbys Hirn eingebrannt, egal, wie sehr der alte Mann es auch abstritt.
»Nein, Heather war zwar schlau, aber so schlau nun auch wieder nicht, dass sie gleich zwei Klassen übersprungen hätte«, bestätigte Miriam. »Selbst nicht in einer Pfarrschule in der Pampa Pennsylvanias.«
Infante war auf einer katholischen Schule gewesen, die er ziemlich streng gefunden hatte, aber er wollte Miriam im Moment nicht ins Wort fallen.
»Also, was ist dann mit meinen Töchtern passiert?«, fragte Miriam. »Wo sind sie? Was hat das alles mit Stan Dunham zu tun?«
»Unsere Vermutungen sind dahingehend, dass er Ihre Mädchen entführt und ermordet hat und dass Ruth, die Frau seines Sohnes, irgendwie davon erfahren hat«, erwiderte Infante. »Wir wissen nicht mit Sicherheit, warum sie ihre momentane Identität schützen will, aber es besteht die Möglichkeit, dass gegen sie wegen etwas anderem Strafbefehl erlassen wird. Oder aber, sie weiß, dass Penelope Jackson das Feuer gelegt hat, bei dem Tony Dunham umkam, und sie will sie schützen, auch wenn sie behauptet, sie stünde in keinerlei Beziehung zu ihr. Wenn wir sie etwas zu dem Auto fragen, beruft sie sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht. Ganz egal, was wir sie fragen, sie kontert damit.«
Nancy beugte sich vor und schob Miriam ein Glas Wasser hin. »Wir haben ihr gesagt, wenn sie uns Penelope Jackson für den Mord an Tony Dunham in Georgia liefert, würden wir vielleicht etwas aushandeln können wegen ihrer Fahrerflucht und vor was immer sie sonst noch wegläuft, je nachdem, wie schwerwiegend es ist. Aber außer immer wieder zu beteuern, dass sie einmal Ruth Leibig hieß, sagt sie nichts, noch nicht mal zu ihrer Anwältin. Gloria hat sie gedrängt, einen Handel mit uns abzuschließen, uns alles zu erzählen, was sie weiß, aber sie ist
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