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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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lesen – kein echter Reißverschluss wie bei Sunnys Rolling-Stones-Cover, aber immerhin einer, der einen Teil einer nackten Frau verbarg. Sie musste ein größeres Buch finden, hinter dem sie es verstecken konnte, damit sie es unbemerkt lesen konnte. Dem Personal von Waldenbooks war es egal, wie lange man rumstand und in einem Buch las, solange man sich nicht auf den Teppich setzte. Dann schmissen sie einen raus.
    »Ich möchte eigentlich gar nichts mit dir machen«, entgegnete Sunny. »Es ist mir auch egal, wo du hingehst. Mach, was du willst, und sei um zwanzig nach fünf wieder hier.«
    »Und dann kaufst du mir was bei Karmelkorn.«
    »Ich habe dir fünf Dollar gegeben. Kauf dir selbst was bei Karmelkorn.«
    »Du hast aber gesagt, fünf Dollar und was von Karmelkorn.«
    »Also gut, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Sei um zwanzig nach fünf hier, und du kriegst dein tolles Karmelkorn. Aber nicht, wenn ich dich noch mal dabei erwische, wie du hinter mir herspionierst. Kapiert?«

    »Warum bist du denn so sauer auf mich?« »Ich will einfach nicht mit einem Baby rumhängen. Ist das denn so schwer zu verstehen?«
    Sie zog los in Richtung Sears, den Gang hinunter, wo auch Harmony Hut und Singer Fashions waren. Heather überlegte, ihr zu folgen. Karmelkorn hin, Karmelkorn her. Sunny hatte kein Recht, sie ein Baby zu nennen.
    Früher war Heather gern das Baby gewesen, und als ihre Mutter wieder schwanger geworden war und sie angefangen hatten, über das neue Baby zu sprechen, hatte ihr das gar nicht gefallen. »Ich bin das Baby«, empörte sie sich damals mit ihren vier Jahren und tippte sich mit dem Finger an die Brust. »Heather ist das Baby.« Als ob es nur ein Baby in ihrer Familie, auf der ganzen Welt geben könnte.
    Zu jener Zeit waren sie gerade in die Algonquin Lane gezogen, in das Haus, in dem jeder ein eigenes Zimmer bekam. Schon damals hatte Heather gewusst, dass es Bestechung war – du kannst dein eigenes Zimmer kriegen, aber dafür bist du nicht mehr das Baby . Das Haus war riesig im Vergleich zu ihrer alten Wohnung, selbst vier Kinder hätten hier ihre eigenen Zimmer haben können. Das half Heather irgendwie. Selbst das neue Baby wäre nicht immer das Baby. Sie durfte sich nach Sunny ein Zimmer aussuchen. Sie dachte, sie käme als Erste dran, weil sie nun nicht mehr die Kleinste sein durfte, aber ihre Eltern erklärten ihr, dass Sunny nur so lange in ihrem Zimmer bleiben würde, bis sie aufs College ging, und deshalb bei der Zimmerwahl ein Vorrecht hätte. Wenn Heather tatsächlich ausgerechnet das Zimmer wollte, das Sunny sich ausgesucht hatte, dann konnte sie es immer noch später kriegen, fast die gesamte Highschool-Zeit über. Bereits mit knapp fünf Jahren regte sich Widerspruch gegen diese Art von Logik bei Heather, aber zugleich fehlten ihr die Worte zum Diskutieren, und von Wutanfällen zeigten sich ihre Eltern unbeeindruckt. Als Heather es einmal versucht hatte, sagte ihre Mutter wortwörtlich: »Das
bringt gar nichts, Heather.« Ihr Vater sagte: »Auf diese Art von Verhalten gehe ich nicht ein.« Doch er reagierte auf keine Art von Verhalten, soweit Heather das sehen konnte. Sunny hielt sich an die Regeln, argumentierte mit ihm und bekam trotzdem nie, was sie wollte. Heather war viel hinterlistiger und erreichte damit auch meist ihr Ziel. Sie blieb sogar das Baby, obwohl das nicht mit irgendetwas zusammenhing, was in ihrer Macht stand. Es stellte sich nämlich heraus, dass das Baby nicht allein überlebensfähig war.
    Nachdem das Baby gestorben war, machte es sich ihr Vater zum Anliegen, Heather und Sunny ganz genau zu erklären, wie es zu einer Fehlgeburt kam. Dazu musste er erst einmal erklären, wie das Baby überhaupt in ihre Mutter gekommen war. Sehr zu ihrem Entsetzen nannte er die Dinge einfach beim Namen – Penis, Vagina, Uterus.
    »Warum sollte Mummy dich das tun lassen?«, wollte Sunny wissen.
    »Weil so Babys gezeugt werden. Außerdem ist es sehr angenehm. Wenn ihr erwachsen seid«, fügte ihr Vater hinzu. »Wenn ihr erwachsen seid, werdet ihr Spaß daran haben, auch wenn dabei kein Baby herauskommt. Es ist etwas ganz Besonderes, auf diese Art zeigt man seine Liebe.«
    »Aber … aber da kommt doch das Pipi raus. Du hast vielleicht Pipi in sie gemacht.«
    »Urin, Sunny. Und der Mann weiß, wie er das verhindert, wenn sein Penis in der Frau steckt.«
    »Wie denn?«
    Ihr Vater versuchte zu erklären, wie der Penis anschwoll, wenn es darum ging, ein Baby zu zeugen, dass es

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