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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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darin noch eine andere Flüssigkeit gab, die voll mit Samen war, Sperma genannt, bis Sunny sich die Hände vor die Ohren hielt und sagte: »Ihhh, ich will das gar nicht wissen. Es könnte immer noch vertauscht werden, und dann wäre Pipi drin.«
    »Wie groß wird er?«, wollte Heather wissen. Ihr Vater zeigte
es mit den Händen, wie er die Größe eines Fisches zeigen würde, den er gefangen hatte, aber sie glaubte ihm nicht.
    Da sie bereits alles über den Zeugungsakt wusste, noch bevor sie in die Schule kam, überraschte es Heather sehr, dass in der Dickey-Hill-Grundschule erst in der sechsten Klasse Sexualkunde unterrichtet wurde und die Teilnahme die Erlaubnis der Eltern erforderte. Aber sie prahlte nicht mit ihrem Wissen oder hängte es an die große Glocke. Das war noch so etwas, das Sunny nie verstanden hatte, dass es manchmal geschickter war, etwas zurückzuhalten und nicht alles gleich auszuplaudern. Angeber konnte keiner leiden.
    In der vierten Klasse wurde allerdings die Mutter von Heathers Freundin Beth schwanger, und Beths Eltern erzählten ihr, dass das Baby von Gott sei. Genau wie ihr Vater verspürte Heather den Drang, Irrtümer aus der Welt schaffen zu müssen. Sie hielt ein kurzes Seminar unter dem Klettergerüst auf dem Spielplatz ab, bei dem sie alles wiedergab, was sie über das Babyzeugen gelernt hatte. Daraufhin beschwerten sich Beths Eltern über sie, und Heathers Eltern wurden in die Schule zitiert, aber ihr Vater weigerte sich nicht nur, sich zu entschuldigen, er war sogar mächtig stolz auf Heather. »Ich lasse mich doch nicht von jemandem, der seine Kinder belügt, zur Rechenschaft ziehen«, sagte er in Heathers Beisein. »Und ich werde meine Tochter nicht darum bitten, so zu tun, als sei sie im Unrecht, wenn sie über etwas sehr Natürliches offen redet.«
    Natürliches war immer gut. Es war die höchste Form der Anerkennung, die ihr Vater kannte. Stoffe aus Naturfasern, Bio-Lebensmittel, natürliche Frisuren. Seit der Eröffnung seines Ladens hatte er seine Haare zu einem langen verfilzten Afro stehen lassen, sehr zu Sunnys Verlegenheit. Er kämmte ihn sogar mit einem originalen Black Power Pick, dessen Griff aus einer geballten Faust bestand. Er würde in der Tat nichts von der Bügelfalten-Hose halten, die mit Sicherheit irgendeinen Kunststoff enthielt, damit sie nicht knitterte. Dennoch
glaubte Heather, ihn oder ihre Mutter bestimmt rumkriegen zu können, solange sie für die Hose ihr Geburtstagsgeld hernahm.
    Sie ging Richtung Pants Corral. Mr. Pincharelli, Sunnys Musiklehrer, spielte Orgel vor Jordan Kitt’s. Sunny war mal in ihn verknallt gewesen, so viel wusste Heather aus ihrem Tagebuch. Aber als sie das letzte Mal in der Mall waren, war Sunny eilig an dem Orgelladen vorübergegangen, als ob er ihr peinlich wäre. Heute stand Mr. Pincharelli an der Orgel und griff zu der Filmmusik von Osterspaziergang energisch in die Tasten. Eine kleine Gruppe hatte sich um ihn versammelt. Mr. Pincharelli glänzte vor Schweiß, und die Achselhöhlen seines kurzärmeligen Anzughemdes hatten Flecke. Heather konnte sich nicht vorstellen, wie man sich in ihn verknallen konnte. Wäre er ihr Musiklehrer gewesen, hätte sie sich unentwegt über ihn lustig gemacht. Dennoch bewunderte ihn die versammelte Menge anscheinend und erfreute sich an seinem Spiel. Heather merkte, dass sie die Stimmung angesteckt hatte, und sie setzte sich auf den Rand eines Brunnens in der Nähe. Sie dachte gerade über eine der Liedzeilen nach. Hieß es tatsächlich: you’ll find that you’re in a photo so pure? , als sie jemand am Ellbogen packte.
    »Hey, du solltest doch …« Es klang äußerst ungehalten, nicht so sehr laut als vielmehr schneidend. Es übertönte sogar die Musik, sodass sich ein paar Leute zu ihnen umdrehten. Der Mann ließ ihren Arm schnell wieder los, murmelte: »Schon gut« und verschwand in der Menge. Heather sah ihm nach. Sie war froh, nicht das Mädchen zu sein, das er suchte. Dieses Mädchen bekam mit Sicherheit Ärger.
    Osterspaziergang ging in Superstar über, das Stück von den Carpenters, nicht das über Jesus. Erst letzte Woche hatte Sunny Heather alle ihre Carpenters-Platten vermacht und verkündet, sie wären ihr zu lahm. Musik war der Bereich, in dem es sich eventuell lohnte, Sunny nachzueifern, und wenn sie die
Carpenters lahm fand, hatte Heather auch nichts damit am Hut. Fünf Dollar – das reichte für eine Platte, und es blieb sogar noch was übrig. Vielleicht würde sie doch noch zum

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