Was die Toten wissen
verzog das Gesicht. »Mit einem komischen kleinen Mann.«
Kay konnte ihrer Einschätzung von Schumeier nur zustimmen. »Er hat die psychologische Grunduntersuchung durchgeführt. Aber falls Sie jemanden … etwas anderes ausprobieren möchten, könnte ich es in die Wege leiten.«
Heather lächelte bitter, spöttisch. »Manchmal reden Sie, als ob Sie das Krankenhaus leiteten, als ob die Ärzte nach Ihrer Pfeife tanzen würden.«
»Nein, nicht wirklich, ich bin nur schon so lange hier, fast zwanzig Jahre, und habe schon auf so vielen Stationen gearbeitet …« Kay stammelte, als ob sie beim Lügen ertappt worden wäre oder zumindest bei ebenjener Selbstverherrlichung, die Heather angedeutet hatte. Der psychologische Untersuchungsbericht wies Heather als klinisch gesund aus, nicht aber als besonders einfühlsam oder interessiert an anderen. Doch Kay stellte fest, dass die Frau vieles mitbekam und Details schnell erfasste. Komischer kleiner Mann. Mit einem Wort – Schumeier. Manchmal reden Sie, als ob Sie das Krankenhaus
leiteten. Sie bemerkte etwas und setzte ihr Wissen gegen andere ein.
Da schneite Gloria Bustamante herein, wie immer äußerlich ein Wrack, aber ihr Blick war klar und konzentriert.
»Worum geht es gerade?«, fragte sie und setzte sich auf den einzigen Stuhl. Sie klang voller Tatendrang und nicht die Spur sauer.
»Um die Entlassung«, sagte Kay.
»Um Kay«, sagte Heather.
»Interessantes Thema«, sagte Gloria. »Die Entlassung, meine ich. Nicht Kay. Obwohl Kay durchaus auch etwas Faszinierendes hat.« War ihr Lächeln etwa lasziv? Hatte sie Kays dringende Bitte um den Gefallen falsch verstanden? Konnte eigentlich irgendwer mit Sicherheit sagen, wie Gloria gepolt war, oder waren die Gerüchte um sie genauso unbegründet wie das, was man hinter Kays Rücken munkelte?
»Ich habe mich am Kopf verletzt«, sagte Heather und mimte wieder das bockige, schmollende Kleinkind. »Ich habe mir den Unterarm gebrochen. Warum kann ich denn nicht noch im Krankenhaus bleiben?«
»Selbst wenn sie Ihnen den Kopf abgenommen hätten, Schätzchen, würden sie versuchen, Sie hier aus diesem gemütlichen Bettchen zu schmeißen, das etwa genauso viel kostet wie eine Suite im Ritz. Und aufgrund der Tatsache, dass Sie uns Ihren Versicherungsträger nicht nennen, will das Krankenhaus Sie natürlich nur noch schneller loswerden. Es könnte ja auf der Rechnung sitzen bleiben.«
»Mittellose Patienten bedeuten höhere Kosten für alle«, sagte Kay, wobei ihr ihr eigener pedantischer Ton auffiel. »Es ist wirklich Verschwendung eines Bettes. Unter normalen Umständen hätte man eine Patientin wie Heather wegen der Kopfverletzung über Nacht zur Beobachtung hier aufgenommen. Es gibt keinen medizinischen Grund, sie länger hierzubehalten. Die Sache duldet keinen weiteren Aufschub.«
»Bei allen tickt die Uhr«, sagte Gloria. »Meine, die des Krankenhauses. Der Einzige, der sich momentan keine Sorgen um die Kosten macht, ist Detective Kevin Infante. Er hat mir heute Morgen gesagt, Heather könne wegen der Fahrerflucht festgehalten werden, wenn sie sich weiterhin weigert, etwas zu dem Unfall auszusagen. Das Beste, was ich hier rausholen kann, ist Hausarrest.«
Heather setzte sich abrupt im Bett auf und heulte dabei vor Schmerz laut auf. »Wo denn – nicht im Gefängnis, in Polizeigewahrsam. Dann sterbe ich. Das bringt mich um.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte sie Gloria. »Ich habe die Polizei bereits darauf hingewiesen, dass es katastrophale Folgen haben könnte, eine der Bethany-Schwestern einzusperren. Was, wenn die Öffentlichkeit davon Wind bekäme?«
»Aber ich will keine Öffentlichkeit in irgendeiner Form, also wie können Sie es dann als Druckmittel einsetzen?«
»Ich weiß das. Sie wissen das.« Mit einem Seitenblick auf Kay: »Und jetzt weiß sie es wohl oder übel auch. Ich gehe davon aus, dass Sie es nicht ausplaudern, Kay. Ich bin hier, um Ihnen einen Gefallen zu tun, also sind Sie mir das schuldig.«
»Das würde ich niemals …«
Gloria fuhr bereits fort, ungeachtet dessen, was Kay gerade hatte sagen wollen. Es wäre sicherlich interessant, was eine psychologische Untersuchung von Gloria Bustamante ergeben würde.
»Der Junge ist offenbar gar nicht so schwer verletzt. Es sah schlimm aus, und sie hatten Angst, dass das Rückgrat verletzt sein könnte, aber er wurde bereits aus der Notfallambulanz auf die Intensivstation verlegt.«
»Der Junge?«, fragte Heather mit krauser Stirn.
»In dem
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