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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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warum er hier war. Weiß Gott, am Gesicht lag es nicht, obwohl das bestimmt ansprechender gewesen war, als es noch nicht so verkniffen war. Im Morgenlicht war sie gänzlich blass, diese Debbie, eine von diesen Blonden mit ovalem Gesicht, deren Augen ohne Make-up kaum hervorstachen. Sie holte einen Plastikkorb aus dem Schrank und versetzte ihn damit für den Bruchteil einer Sekunde in spekulative Panik. Wollte sie ihm damit eins überbraten? Ihm etwas überkippen? Aber Debbie ging schmollend aus dem Zimmer zu den Duschräumen. Vermutlich um jede Spur von ihrem Abend mit Kevin Infante zu beseitigen. Wie schlimm
muss es wohl gewesen sein? Er wollte es gar nicht so genau wissen.
    Für College-Verhältnisse war es noch früh am Morgen, und er war schon fast aus dem Wohnheim, als ihm eine Studentin über den Weg lief, ein pummeliges Mädchen, mit großen Augen, die von dieser fremden Erscheinung irritiert zu sein schien. Nicht nur ein Mann, sondern auch noch einer im Anzug, ein älterer, ganz eindeutig kein Student oder gar Lehrer.
    »Polizei«, sagte er. »Baltimore County Police.«
    Das schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. »Ist etwas passiert?«
    »Nein, nur eine Routineüberprüfung der Sicherheitsvorkehrungen. Vergessen Sie nicht, Ihre Tür abzuschließen, und meiden Sie unbeleuchtete Parkplätze.«
    »Ja, Officer«, sagte sie feierlich.
    Es war ein kalter Märzmorgen, das Unigelände lag verlassen da. Sein Wagen stand im Parkverbot, nicht weit vom Wohnheim. Als er sie gestern Nacht absetzen wollte, hatte er es für ein Apartmenthaus gehalten. Langsam kam ihm die Erinnerung an den gestrigen Abend wieder. Er war ins Souris’s gegangen, weil er nicht schon wieder ins Wagner’s wollte, wo alle seine Kollegen rumhingen. Am Ende der Theke hatte eine schnatternde Mädchenschar gesessen, und obwohl er sich sagte, nur auf einen kurzen Drink, sah er sich schon alsbald genötigt, eine aus der Herde auszusondern. Es war nicht die Beste gewesen, aber auch nicht die Schlechteste. Auf jeden Fall wollte sie ihm gefallen, als sie ihm auf der Allegheny Avenue einen blies. Er brachte sie zu diesem schäbig aussehenden mehrstöckigen Gebäude, das um zwei Uhr morgens ruhig und still war. Er hatte eigentlich nur im Auto warten wollen, bis sie die Tür aufgeschlossen hatte, aber sie erwartete eindeutig mehr von ihm. Also folgte er ihr in ihr Zimmer und erhöhte seinen Einsatz. Er war sich ziemlich sicher, dass er eine ordentliche Darbietung geliefert hatte, bevor er eingeschlafen
war. Also warum war die Mieze heute Morgen dann so sauer auf ihn?
    Einer vom Campus-Wachdienst war gerade dabei, seinen Wagen aufzuschreiben, doch Infante zückte seine Dienstmarke, und der Typ entfernte sich, obwohl es ihn eindeutig juckte, sich mit ihm anzulegen. Er hätte wahrscheinlich seine helle Freude daran gehabt, sich wegen eines Strafzettels mit ihm zu streiten. Infante hörte seine Mailbox ab. Nancy Porter, seine ehemalige Teampartnerin, hatte ihm leise und eindringlich eine Nachricht hinterlassen: »Wo steckst du?« Mist, er hatte schon wieder den Dienstbeginn verpasst. Wenn er noch halbwegs pünktlich bei der Arbeit erscheinen wollte, musste er sich zwischen Duschen und einem ordentlichen Frühstück entscheiden. Er entschied sich für Ersteres und fuhr zu seiner Wohnung im Nordwesten von Baltimore. Er konnte immer noch behaupten, er hätte eine Spur im … McGowan-Fall verfolgt, genau. Diese Eingebung kam ihm unter der Dusche. Er blieb länger darunter, als er sollte, und ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln, die Ausdünstungen der Nacht aus seinen Poren entweichen. Er konnte sagen, er hätte nach dem Exfreund des Mädchens gesucht, nicht nach dem letzten und auch nicht nach dem davor, sondern nach dem vorvorletzten. Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee. Die Ermordung der jungen Frau im Gunpowder Falls State Park, ein klassischer Fall von Abstechen und Entsorgen, war ausgesprochen grausam gewesen. Es war nicht genug gewesen, die Frau aufzuschlitzen. Der Mörder hatte sie auch noch angezündet, was ein kleines Buschfeuer verursacht hatte, das die Feuerwehr zum Tatort rief. Ansonsten hätte die Leiche wohl noch tage-, wochen-, monatelang unentdeckt dort gelegen. Die Leute waren immer überrascht, wenn die Polizei eine Leiche nicht sofort fand, doch um Baltimore herum gab es nach wie vor Tausende Quadratkilometer Wald und Wiesen. Hin und wieder stieß ein Jäger auch auf einen Haufen Knochen,
und dann

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