Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
Vom Netzwerk:
Da war auch eine Scheune. Weiter hinten waren die Obstbäume.
Dort finden Sie das Grab meiner Schwester unter einem Kirschbaum.«
    »Wie viele Kirschbäume gibt es dort?«
    »Einige und dazwischen noch andere Obstsorten. Äpfel, Birnen, ein paar Blüten-Hartriegel, die für Farbe sorgten. Immer, wenn mich niemand dabei beobachtete, habe ich ein Muster in die Rinde geritzt. Nicht die Initialen, das wäre zu auffällig gewesen. Nur ein kleiner Kreis mit Kreuzen.«
    »Das war vor dreißig Jahren. Der Baum könnte weg sein. Das Haus könnte nicht mehr stehen. Die Erde dreht sich weiter.«
    »Aber die Grundbucheinträge bleiben. Und wenn Sie die Adresse überprüfen, die ich Ihnen genannt habe, dann bin ich mir sicher, dass Sie einen Namen finden werden, den Sie in den Personalakten der Bezirkspolizei von Baltimore wiederfinden werden.«
    »Warum sagen Sie mir nicht einfach den verflixten Namen des Mannes, der Ihnen das angetan hat?«
    »Ich möchte, dass Sie mir glauben. Ich möchte, dass Sie die Farm sehen, den Namen in den Akten finden und sie dann mit Ihren eigenen Unterlagen abgleichen. Ich möchte, dass Sie die Gebeine meiner Schwester finden. Wenn Sie ihn dann aufspüren – wenn Sie ihn überhaupt finden, er könnte inzwischen ebenso gut gestorben sein -, wissen Sie, dass dies die Wahrheit ist.«
    »Warum kommen Sie nicht mit und zeigen es mir? Würde das nicht einfacher und schneller gehen?« Oder ist einfach und schnell vielleicht genau das, was du nicht willst, Mädchen? Was willst du hinauszögern? Wo ist der Haken bei der Sache?
    »Dies ist das Einzige, was ich ganz bestimmt nicht tun werde: noch nicht einmal nach fast fünfundzwanzig Jahren. Ich möchte nie mehr an diesen Ort zurückkehren.«
    Das nahm er ihr sogar ab – aber nur das. Die Angst in ihren Augen war echt, das Beben ihrer Schultern sichtbar selbst unter
dem Tuch. Sie ertrug es noch nicht einmal, daran zu denken. Wo auch immer sie hingewollt hatte am Dienstagabend, es war bestimmt nicht Pennsylvania gewesen.
    Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie Heather Bethany war.

Kapitel 20
    Sobald sie über die Türschwelle der Forrests getreten war, verzog Heather das Gesicht.
    »Ich habe eine Katzenhaarallergie«, teilte sie Kay mit, als ob diese eine dämliche Maklerin wäre. »Das wird nicht gehen.«
    »Aber ich dachte, Sie hätten das verstanden. Ich hatte Ihnen doch erzählt, dass mein Sohn Seth sich etwas dazuverdient, indem er sich um die Pflanzen und Haustiere der Familie kümmert.«
    »Ich schätze, ich habe nur das mit den Pflanzen mitgekriegt. Es tut mir leid, aber …« Sie wandte den Kopf ab und nieste, ein delikates, trockenes Niesen. Ein katzenartiges Niesen, um genau zu sein. »In ein paar Minuten bin ich rot und verquollen. Ich kann unmöglich hierbleiben.«
    Es hatte tatsächlich den Anschein, als ob sich Heathers Wangen röteten und ihre Augen zu tränen anfingen. Kay folgte Heather nach draußen auf die Steinveranda vorm Haus. Eine schwarze Frau kam gerade mit ihrer Tochter die Straße entlang, und obwohl das Mädchen bloß Dreirad fuhr, war sie auffallend herausgeputzt, in einem hellgelben Trägerkleidchen und dazu passenden Schuhen, die Mutter durchgehend in Selleriegrün. Sie drehte sich zu den beiden Frauen auf der Veranda um und beäugte sie mit unübersehbarem Misstrauen. Eine Nachbarin, Cynthia Soundso. Mrs. Forrest hatte gesagt, dass sie eine Ein-Frau-Nachbarschaftspatrouille bildete, dass sie sich während ihrer Abwesenheit überhaupt keine Sorgen um
das Haus zu machen bräuchte, wären da nicht die Pflanzen und Felix, die Katze, gewesen. Kay winkte ihr zu und hoffte, diese Geste würde die Frau beruhigen, aber sie winkte weder zurück, noch lächelte sie, kniff nur die Augen zusammen und nickte kurz, als wolle sie sagen: Ich habe Sie gesehen. Ich werde mich an Sie erinnern, wenn etwas passiert .
    »Also jetzt befinde ich mich in der Zwickmühle«, sagte Kay. »Sie können nicht hierbleiben, und ich kann Sie nicht ins Krankenhaus zurückbringen.«
    »Nicht ins Gefängnis«, sagte Heather mit heiserer, belegter Stimme, aber das konnte ebenso auf die Katzenallergie zurückzuführen sein. »Kay, es muss Ihnen doch klar sein, dass eine Frau, die einen Polizeibeamten beschuldigt, dort nicht sicher ist. Es ist schon schlimm genug, dass ich immer von einem Polizisten bewacht werde. Obdachlosenasyl kommt auch nicht in Frage«, fügte sie hinzu, als hätte sie Kays nächsten Vorschlag bereits erahnt. »Ich würde es dort nicht

Weitere Kostenlose Bücher