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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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Parrish. »Nicht sehr nett von mir. Ich habe ihnen ein solches Unglück nicht gewünscht, aber sie waren furchtbar. Oh, all das Gezanke und Geschrei. Und außerdem …« Er senkte die Stimme, als ob er gleich etwas wirklich
Unanständiges von sich geben würde. »Außerdem parkte er seinen Pick-up im Vorgarten. Ich habe mich beim Vermieter beschwert, aber der sagte nur, dafür zahle er seine Miete pünktlich, nicht wie manche Mexikaner. Ich finde, nachdem man ihnen ein paar Dinge erklärt hat, sind die Mexikaner die besseren Nachbarn.«
    »Gab es zwischen den beiden öfter Streit, Geschrei?«
    »Laufend.«
    »Haben Sie die Polizei gerufen?«
    Er sah sich nervös um, als ob ihm jemand zuhören könnte. »Anonym ein paarmal. Meine Frau hat versucht, mit Penelope zu reden, aber sie hat nur gesagt, es würde uns nichts angehen – nur nicht so freundlich.«
    »Ist sie das?«
    Parrish betrachtete das Foto aus dem Führerschein, das Nancy vergrößert und ausgedruckt hatte. »Es scheint so, obwohl sie in natura hübscher war. Zierlich, aber mit einer guten Figur, wie eine kleine Puppe.«
    »Kommt Ihnen diese Frau bekannt vor?« Er hielt ihm ein Foto von der Unbekannten in Baltimore hin, die sich als Heather Bethany ausgab.
    »Nein, die hab ich noch nie gesehen. Aber wenn ich’s mir recht überlege, sehen die sich nicht ein bisschen ähnlich?«
    War dem so? Infante sah sich die beiden Fotos an, entdeckte jedoch nur sehr oberflächliche Ähnlichkeiten – Haare, Augen, Körperbau vielleicht. So wenig, wie er Heather Bethany mochte und ihr glaubte, ließ sich doch ihre Mattigkeit nicht übersehen. Penelope Jackson dagegen sah nicht erschöpft, sondern vielmehr zäh aus.
    »Hat sie Ihnen etwas über sich erzählt, ich meine Penelope Jackson. Wo sie her war? Wo Tony her war? Wie sie sich kennengelernt haben?«
    »Sie war nicht gerade eine Plaudertasche. Ich weiß, dass sie drüben auf St. Simons gearbeitet hat, im Mullet Bay. Tony arbeitete
manchmal auch auf der Insel, wenn er keine Fahrt hatte. Er jobbte für einen Landschaftsgärtner. Aber natürlich hätten sie niemals dort leben können.«
    »Warum denn nicht?«
    Aaron Parrish lachte über Infantes Naivität. »Die Preise, mein Lieber. Kaum einer, der da drüben arbeitet, kann es sich leisten, dort zu leben. Dieses Haus da« – er machte eine ausholende Handbewegung hin zu den verkohlten Überresten -, »das wäre eine Viertelmillion wert, wenn man es einfach hochheben und fünf Meilen weiter östlich wieder aufstellen könnte. Auf St. Simons wohnen Millionäre, Sea Island ist noch teurer.«
    Infante bedankte sich bei Mr. Parrish und betrat das unverschlossene Haus, das immer noch verräuchert roch. Er verstand nicht, warum das Gebäude abgerissen werden musste, das Feuer hatte eigentlich nur im Schlafzimmer gewütet. Der Besitzer erhoffte sich bestimmt auf diesem Weg mehr Geld von der Versicherung.
    Die Tür zum Schlafzimmer war verzogen und klemmte, aber er schaffte es, sie zu öffnen, indem er sich dagegenwarf, das volle Gewicht auf der Schulter. Tolliver hatte gesagt, dass Tony Dunham bereits tot gewesen sei, ehe er verbrannte, erstickt an der Rauchvergiftung. Infante stand auf der Türschwelle und versuchte, sich alles vorzustellen. Es bedurfte wirklich starker Nerven, jemanden auf diese Art und Weise umzubringen – indem man den Aschenbecher auf den Läufer warf und wartete, bis das Feuer ausbrach. Wie Tolliver bereits gesagt hatte, man konnte keine zweite brennende Zigarette hinterherwerfen, wenn es mit der ersten nicht klappte. Und wenn der Typ zu sich käme, müsste man schon in der Lage sein, ihn davon zu überzeugen, dass es ein Unfall gewesen sei und man eben erst die Tür aufgemacht habe; eine riskante Sache, wenn er einen sowieso schon immer verdrosch. Außerdem bedurfte es eiserner Disziplin, all seine geliebten Sachen mitverbrennen zu lassen. Man musste danebenstehen, bis man vor Rauch fast erstickte,
dann die Tür schließen und beharrlich darauf warten, dass der Mann auf der anderen Seite nicht mehr zu retten war.
    Diese Frau in Baltimore, wie auch immer sie hieß, die konnte das, dessen war er sich sicher. Aber er war sich genauso sicher, dass sie nicht Penelope Jackson war. Es war das einzig wirklich Greifbare. Ich kenne Penelope Jackson nicht , hatte sie gesagt. Aber hätte eine wirklich Fremde nicht eher gesagt: Ich kenne keine Penelope Jackson, ich kenne niemanden namens Penelope Jackson ? Wie zum Teufel war sie dann an ihr Auto gekommen? Sie hatte

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