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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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bei sich eingeschaltet. Der Fernseher stand im Wintergarten, der nicht an die Zentralheizung angeschlossen war. Bis sie den Rauch bemerkte, war es bereits zu spät. Sie hat uns erzählt, sie sei zu der Tür gegangen und habe erst einmal die Klinke getestet, genau wie man es machen soll, und dabei festgestellt, dass sie heiß war. Sie sagte, sie habe auf die Tür eingeschlagen und nach ihm geschrien und dann die Feuerwehr angerufen. Die Fenster waren vernagelt, sicherlich ein Verstoß des Vermieters, aber der arme Kerl hatte wahrscheinlich eh keine Chance, so besoffen, wie er war. Ich würde tippen, dass er an Rauchvergiftung gestorben ist und dass es schnell ging. Bevor sie überhaupt bemerkt hat, was los war.«
    »Und das war’s schon?«
    Tolliver bemerkte die Ungläubigkeit in Infantes Stimme. »Keine Hilfsmittel. Nur ein Brandherd, der Bettvorleger. Wir haben uns die Frau vorgenommen. Wir haben sie uns ganz genau angesehen. Was mich restlos überzeugt hat, war, dass sie nicht das klitzekleinste Teil aus dem Zimmer geholt hat. Ihre gesamte Garderobe und was immer sie an Schmuck besaß, ist verbrannt, und es sieht nicht so aus, als ob er ihr irgendwas an Geld hinterlassen hat. Ganz im Gegenteil, er erhielt eine Rente aus Kapitalausschüttungen, die mit seinem Tod erlosch. Damit ging ihr flöten, was er zur Miete beigesteuert hat.«
    »Eine Rente aus Kapitalausschüttungen?« Der Anwalt in York hatte gesagt, dass Stan Dunham eine solche Anlage erworben hatte, nachdem er die Farm verkauft hatte, das passte also. Aber er hatte auch gesagt, dass Dunham keine Angehörigen mehr hatte.
    »Ein Anlagevertrag, der ihm bis zu zehn Jahre lang monatlich
eine bestimmte Summe brachte. Sie wissen doch, wenn Baseballspieler diese Riesengehälter bekommen? Dann werden sie meist in Rentenfonds ausgeschrieben. Höher als dieser natürlich. Es kann nicht viel gewesen sein, nach dem Lebensstil zu urteilen, es hat gerade mal gereicht, dass sich die beiden regelmäßig besaufen konnten. Beide machten gern ordentlich einen drauf. Man hätte annehmen sollen, dass sie zu alt für so etwas wären, er war über fünfzig, aber es gibt Leute, die lassen’s nie sein.«
    Aus Tollivers Feststellung sprach persönliche Betroffenheit, als ob er eigene Erfahrungen damit hätte, jemanden, den er sehr mochte und der nie erwachsen geworden war und ihm Kummer gemacht hatte. Aber Infante war nicht hier, um über Tolliver zu reden.
    »Was haben Sie noch über die beiden in Erfahrung bringen können?«
    »Na ja, die Adresse war der Polizei wohlbekannt. Beschwerden wegen Ruhestörung. Verdacht auf häusliche Gewalt, aber die Anrufe kamen von den Nachbarn, das war nicht die Frau gewesen, und sie sagten, sie wüssten nie, wer was abkriegte. Sie war eine Wildkatze, eine echte Hinterwäldlerin aus den Tiefen North Carolinas.«
    Alles war relativ. Wenn dieser Typ jemanden als Hinterwäldlerin bezeichnete, musste sie schon ziemlich primitiv gewesen sein.
    »Wie lange hat sie in der Reynolds Street gewohnt?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Sie taucht in keinem der offiziellen Papiere auf – der Mietvertrag, die Nebenkostenabrechnung, alles lief auf seinen Namen. Er hat etwa fünf Jahre dort gewohnt. Er war LKW-Fahrer, fuhr aber nicht regelmäßig für eine Firma. Die Nachbarn erzählten, dass er sie an der Straße aufgegabelt und hierhergeschleppt habe. Er stellte nichts Besonderes dar, aber er hatte immer Frauen gehabt. Sie war laut Nachbarn die dritte.«

    »Wurde er auf Drogen untersucht?«
    Noch so ein beleidigter Blick. »Ja, und die Tests haben bestätigt, dass er völlig blau war und dazu noch eine Schlaftablette genommen hatte, sonst nichts. Der Kerl war wie so viele Trucker – er warf Pillen ein, um wach zu bleiben, um durch den Tag zu kommen, und dann brauchte er Hilfe, um wieder runterzukommen, wenn er zu Hause war. Er war erst am Tag zuvor von einer Fahrt zurückgekehrt.«
    »Trotzdem …«
    »Ich verstehe schon, worauf Sie hinauswollen. Aber ich kenne mich aus mit Bränden. Können Sie mir das zugestehen? Ein umgekippter Aschenbecher auf einem billigen Baumwollläufer. Mal angenommen, sie hätte das Feuer gelegt. Haben Sie eine Ahnung, wie berechnend sie dann sein müsste, wie eiskalt? Oh, es ist leicht, eine brennende Zigarette auf den Boden zu werfen, aber sie muss sich auch sicher sein, dass er nicht aufwacht, richtig? Sie muss danebenstehen, zusehen, wie es sich entwickelt, und abwarten, bis es zu dem Inferno wird, wegen dem sie die Feuerwehr ruft.

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