Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
hinab, fast im Laufschritt. Leute scharen sich um uns, ein allgemeiner Tumult. Ich mache kurz die Augen auf und sehe das wutverzerrte Gesicht eines Heranwachsenden, der etwas ruft – jemand neben ihm zieht an seiner Schulter, zerrt ihn weg –, er dreht sich um und schreit sofort jemand anderen an. Ein etwa zehnjähriges Mädchen hüpft unentwegt auf und ab, zupft mich grinsend am Ärmel, versucht, mich anzusehen. Eine ältere Frau schenkt mir ein zahnloses Lächeln. Zwei andere starren mit versteinerten Gesichtern, die eine hebt die Arme. Alle rufen sich gegenseitig Anweisungen zu. Ich schließe die Augen wieder. Jemand zieht mir die Schuhe aus. Mein Haar ist klatschnass. Sie rufen einander immer noch zu. Es schüttet. Ich werde in Seitenlage durch die Tür eines Wohnwagens getragen, etwas unsanft, dann auf ein Sofa oder Bett gelegt. Wieder mache ich kurz die Augen auf, als zwei Paar Frauenhände mich in eine sitzende Position ziehen. Eine von beiden stellt meine Schuhe auf den Boden, und eine andere Frau führt ein kleines, bemaltes Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit an meine Lippen. Ich huste und pruste, spüre ein aromatisches Nachbrennen im Rachen – vor allem scharf, mit einem Hauch von Frucht. Die Erste hält meinen Kopf, und die Zweite kippt mir den Rest des Getränks in den Mund. Dann lehnen sie mich etwas zurück, aber immer noch sitzend. Eine der Frauen dreht sich um, nimmt einen Stapel bunter Decken von der Sofaarmlehne und breitet zwei davon über meinen Schoß. Ich schließe die Augen und lasse den Kopf zurückfallen. Am anderen Ende des Wohnwagens höre ich aufgeregtes Gemurmel und Gedränge und nehme an, dass die Männer und Kinder rausbugsiert werden. Ich spüre, wie mir eine kühle Hand die nassen Haare aus dem Gesicht streicht.
Ein paar Minuten später schlage ich die Augen auf und sehe, dass sich der Wohnwagen bis auf die beiden Frauen neben mir geleert hat – keine von beiden gehört zu dem Grüppchen, dem ich auf dem Steilküstenweg gefolgt bin; sie sind jünger. Die eine hält eine Porzellantasse mit Untertasse, die sie mir reicht. Ich richte mich etwas auf dem Ellenbogen auf, und sie kommt mit der Tasse noch näher. Darin schwimmt ein Teebeutel in heißer Milch. Ich nippe daran. Der Tee ist voll Zucker, den ich mir normalerweise nicht hineintue, schmeckt aber gut. Die Mädchen sehen mir schweigend beim Trinken zu. Ich halte inne, sehe sie an und nicke ihnen dankbar zu, doch sie sehen mich nur unverwandt an, ohne zu lächeln.
Während ich den Tee austrinke, kommt eine ältere Frau in den Wohnwagen zurück und verscheucht die beiden jungen. Sie nimmt mir die Tasse ab. Sie ist füllig, und ihr Kleid sitzt schlecht, aber mit einem Blick nach unten sehe ich, dass sie zierliche Fesseln hat und elegante Schuhe trägt. Ihr glattes Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst; die wenigen weißen Strähnen an den Schläfen ringeln sich. Sie nickt in meine Richtung. Ich erwidere das Nicken und lege mich hin. Sie zieht die Decke bis an meine Schultern hoch. Mit offenen Augen liege ich wach und denke an nichts.
Zwei andere Frauen kommen herein, gefolgt von einem Kind. Ich höre leises Gemurmel. Eine der beiden neuen macht eine Küchenschranktür auf und holt ein Tongefäß mit Besteck heraus. Sie geht, kommt kurz darauf wieder und holt Teller. Nach einer Weile dringt Essensgeruch von draußen herein, von irgendwo im Lager. Während dieser Zeit steht das Kind, das hereingekommen ist, ein kleiner Junge, mitten im Wagen und sieht mich an, einen Finger im Mund. Ich versuche ihm zuzulächeln, doch er bleibt ernst. Irgendwann scheucht ihn eine der Frauen raus. Kurz darauf geht sie mit den anderen. Ich werde lange allein gelassen. Ich rühre mich nicht.
Draußen wird es schon dunkel, als jemand wiederkommt, die üppige Frau mit den eleganten Schuhen. Sie hat einen Teller mit Essen in der Hand, den sie mir reicht, weißes Porzellan mit welligem Rand. Wie bei der Tasse mit Untertasse habe ich das Gefühl, dass man mir das beste Geschirr gibt. Das Essen auf dem Teller ist eine Art Eintopf aus dunklen Bohnen oder anderen Hülsenfrüchten in Soße mit klein geschnittener Wurst. Obwohl ich keine Wurst mag, esse ich alles, aus Höflichkeit. Die Bohnen sind köstlich, schmecken nahrhaft und saftig. Während ich esse, steht die Frau die ganze Zeit vor mir und sieht zu. Das ist mir peinlich. Ich wünschte, sie würde sich neben mich setzen und auch etwas essen.
Sobald ich aufgegessen habe, streckt
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