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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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ziehe alle Vorhänge zu, sehe nach, ob die Heizung ganz aufgedreht ist, und setze mich dann an meinen Küchentisch, den Kopf in beiden Händen. Der junge Mann hat gesagt, dass sein Onkel kommt, nur nicht, wann.
    Ich warte fast den ganzen Abend am Küchentisch, ohne genau zu wissen, worauf. Draußen ist es dunkel, und der Wind peitscht Regen gegen das schwarze Rechteck meines Küchenfensters. Von meinem Platz aus habe ich freie Sicht durch den Flur auf die Milchglasscheibe in meiner Haustür. Ich warte darauf, dass ein Umriss darin auftaucht. Im Geiste sehe ich immer wieder ein Bild vor mir: die beiden Umrisse an jenem Abend, als ich von Bettys Tod erfuhr, Toni und ihr Kollege, der ruhige junge Polizist, der kaum etwas sagte; wie ich durch den Flur ging, ohne zu wissen, dass dies die letzten Sekunden meines alten Lebens waren; zwei dunkle Silhouetten hinter Glas; wie meine Haustür vor ihnen aufschwingt; ihr Gesichtsausdruck. Daran zu denken, ist eine Art Hölle, eine Art Fegefeuer, eine Art Seligkeit … Zwei dunkle Schatten hinter Glas, wie ich auf sie zugehe … die aufschwingende Tür, wieder und immer wieder …
    Jemand klopft kurz an die Glasscheibe. Das Glas ist dünn – seine Knöchel klopfen zwar nur leicht, erschüttern aber doch die ganze Scheibe. Ich rappele mich auf und gehe zur Tür. Diesmal ist es nur ein dunkler Umriss, massig und verschwommen. Ich denke, vielleicht ist er gekommen, um mich zu töten, nach dem, was ich heute Nachmittag fast getan hätte. Das wäre folgerichtig. Mittlerweile haben sie alle besprochen, was mit mir zu tun wäre. Bestimmt will er mich nicht in der Nähe seines Lagers umbringen. Sondern hier, in meinem Haus. Draußen ist es dunkel. Niemand sieht ihn kommen und gehen.
    Die Tür schwingt auf, genau wie an jenem Abend. Mr. A. steht auf einer niedrigeren Stufe – er ist von der Tür nach unten zurückgewichen. Ich frage mich, ob er denkt, ich hätte Angst vor ihm – was trotz meiner vorherigen Befürchtungen nicht der Fall ist. Er sieht mich an, aber ohne mir direkt in die Augen zu sehen, als wolle er sich nicht aufdrängen. Schweigend trete ich zurück, um ihn einzulassen.
    Ich drehe mich um und gehe durch den Flur wieder in die Küche, höre, wie er die Tür hinter sich schließt und seine Füße innen auf der Matte abtritt. Ich fülle den Wasserkocher und stelle ihn an, das Ritual. Als ich mich umwende, betritt er die Küche, und seine Körpermasse füllt kurz den Türrahmen. Unsicher sieht er sich um; ich zeige zum Küchentisch. Er setzt sich. Ich frage mich, wie meine Küche in seinen Augen aussieht: gediegen, seltsam menschenleer; wie absurd, dass ich allein ein ganzes Haus bewohne. Ich habe solche Gedanken von ihm hier nicht nötig.
    Weil mir einfällt, dass es lächerlich ist, ihm Tee anzubieten, öffne ich eine Schranktür und hole zwei kleine Gläschen heraus, Schnapsgläser mit zwei umlaufenden roten Streifen in der Mitte; ein jahrealtes unerbetenes Weihnachtsgeschenk, kaum benutzt. Während ich die Gläser auf den Tisch stelle und eine Flasche Whisky aus dem Fach über dem Kühlschrank hole, sehe ich ihn nicht an. Der Schrank ist hoch, und ich habe Hemmungen, einen Stuhl zu holen. Der Whisky steht vorne, gerade noch in Reichweite, auch wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellen muss. Dabei spüre ich, wie Mr. A. mich beobachtet, während sich mein Körper reckt und streckt. Ich hole die Flasche herunter, drehe mich mit leicht geröteten Wangen um und stelle sie auf den Tisch. Der Wasserkocher hört zu kochen auf und stellt sich selbst mit metallischem Klicken aus.
    Ich sitze am Küchentisch, schenke uns beiden einen tüchtigen Schluck Whisky ein, ohne Mr. A. zu fragen, und stelle die Flasche zwischen uns. Er bleibt reglos sitzen, beobachtet mich, überlegt, was er tun soll. Ich nehme mein Glas in die Hand und werfe ihm einen raschen Blick zu, mache aber keine Geste, die als Zuprosten gedeutet werden könnte. Stattdessen trinke ich einen genau abgemessenen kleinen Schluck und stelle das Glas auf den Tisch zurück, umschließe es mit den Fingern. Mir ist bewusst, dass es in manchen Kulturen als grobe Beleidigung gilt, aus einem Glas zu trinken, ohne mit seinem Gegenüber anzustoßen. Ich habe es absichtlich getan, um ihn daran zu erinnern, dass er hier der Bittsteller ist.
    Sorgfältig macht er es mir nach.
    Nach noch einer langen Pause und weiteren zwei Schlückchen Whisky pro Person – er trinkt nur, wenn ich trinke – beginnt Mr. A. stockend, mir seine

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