Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
sie die Hand nach dem Teller aus. Als ich ihn ihr gebe, nehme ich all meinen Mut zusammen und sage deutlich: »Danke.«
Zum ersten Mal verrät ihr Gesichtsausdruck ein Gefühl. Sie lässt ein winziges, angedeutetes Lächeln sehen, ehe sie sich abwendet. Sie nimmt den Teller mit raus und schließt leise die Tür hinter sich. Ich bin wieder allein.
Nach einer Weile schiebe ich die Decke beiseite und recke und strecke mich. Vom Wagendach hängt eine kleine elektrische Lampe, die jedoch in der zunehmenden Dunkelheit nur schwach leuchtet. Mir geht auf, dass von mir erwartet wird zu gehen. Ich schlüpfe in meine Schuhe und stehe auf. Ich falte die Decken ordentlich zusammen und lege sie über die Sofaarmlehne. Meinen Mantel und Schal habe ich noch an. Den Hut habe ich verloren.
Ein paar Schritte entfernt steht eine Sperrholztür offen. Ich stoße sie vorsichtig weiter auf und sehe, dass es das Toilettenkabäuschen ist, tadellos sauber – so sauber, dass ich mich frage, ob es von den Bewohnern dieses Wagens je benutzt wird. Ich müsste aufs Klo, traue mich aber nicht, sondern lehne mich nur aus dem Hauptteil des Wagens hinein und drehe einen Wasserhahn auf. Ich lasse kaltes Wasser über meine Hände laufen und fahre mir damit über Gesicht und Nacken.
Währenddessen geht plötzlich die Wohnwagentür auf, und ich zucke zusammen. Ein junger Mann steckt den Kopf rein, sieht mich und guckt verwirrt. Hinter ihm höre ich draußen Stimmen, die ihm etwas zurufen. Er zieht sich zurück.
Ich öffne die Tür und trete hinaus. Jetzt ist es dunkel. In wenigen Metern Entfernung sehe ich einen Tisch und ein Lagerfeuer – die Frauen kochen draußen, in der Kälte. Es ist windig, und der Rauch von dem Feuer wabert hin und her. Eine Gruppe Männer sitzt rechts von mir, unter einer Art Schutzplane, deren Seiten vom Wind angesogen und gebläht werden. Während ich aus dem Wagen steige, sehen sie mich ohne jede Feindseligkeit an. Mr. A. ist nicht unter ihnen.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich möchte mit jemandem reden, mich dafür bedanken, dass sie sich um mich gekümmert haben. Ich möchte sie fragen, ob sie mich für verrückt halten, ob ich verrückt bin. Ich möchte in den Wohnwagen zurückgehen und die ganze Nacht schlafen. Ich möchte, dass sie mich versteckt halten.
Die Männer setzen ihr Gespräch fort. Die Frauen sind am Feuer. Niemand nähert sich mir. Ich wende mich ab und gehe an ihnen vorbei, zurück zum Weg und dem Hang, der zum Parkplatz führt. Während ich gehe, die Schultern gegen den Wind gestemmt, ziehe ich die Handschuhe aus meiner Tasche und betaste die harten, klirrenden Konturen meiner Schlüssel.
Als ich den abschüssigen Hang überquert habe, höre ich Schritte, drehe mich um und sehe, dass ein junger Mann direkt hinter mir ist – bei dem lauten Wind habe ihn nicht kommen gehört. »Sorry«, sagt er mit starkem Akzent und hält beide Hände hoch, ein wenig außer Atem. Er muss hinter mir hergelaufen sein.
Ich weiche einen Schritt zurück und mustere ihn. »Was wollen Sie?«, frage ich. Das kommt unfreundlicher heraus als beabsichtigt, aber er hat mich überrascht.
Er runzelt die Stirn. »Mann wird kommen, mein Onkel.«
»Ihr Onkel?«
Er wedelt mit einer Hand in Richtung Stadt. Ich glaube, er will mir sagen, dass Mr. A. sein Onkel ist und mich besuchen wird – aber woher will er wissen, wo ich wohne?
»Weiß er, wohin er kommen soll, wo ich wohne?«, frage ich.
Der junge Mann nickt. »Ist es okay? Wir wissen. Es steht in der Zeitung, die Straße. Nur die Nummer muss ich ihm sagen.«
»Achtunddreißig«, sage ich. »Ja, es ist okay.«
Der Junge lächelt, liebenswürdig, er sieht gut aus und ist auf charmante Art schüchtern. »Gut, gut.«
Wir nicken uns zu, ehe ich mich umdrehe.
Der Parkplatz ist unheimlich im Dunkeln, mein Auto das einzige Fahrzeug. Es scheint sich unter den gelben Schein der einsamen Lichtquelle zu ducken, einer Glühbirne an der Wand des würfelförmigen Häuschens, das früher eine öffentliche Toilette war, jetzt aber mit Brettern vernagelt ist. Ich haste den Weg entlang, Schlüssel in der Hand. Im Auto verschließe ich die Türen und fummele mit dem Schlüssel herum, bis ich ihn im Zündschloss habe. Jetzt, da ich aus dem Schutz des Lagers verbannt bin und die Distanz dazu spüre, bekomme ich es wieder mit der Angst zu tun. Ich will nach Hause.
Angekommen, gehe ich durchs Haus und knipse in jedem Zimmer das Licht an. Mein Haus kommt mir riesig und leer vor. Ich
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