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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Geschichte zu erzählen.
    »Ich bin in einem Dorf aufgewachsen …«, erzählt er mir und macht eine Pause, wie um neue Kraft zu sammeln. »Mein Vater ist Chef in der Fabrik dort, wissen Sie, die Gurken in Essig, die in Gläser kommen. Ich habe viele Brüder. Meine Onkel, sie sind Bauern. Meine Mutter kluge Frau, Tanzlehrerin. Leben sehr gut für uns, sehr gut. Großes Haus. Dann, als Krieg kommt, viele gehen, und wir ziehen alle in Hauptstadt, aber kommen zurück. Es gibt nichts zu essen in Hauptstadt. Die Soldaten, nicht Rebellen, wie heißt das?« Er sieht mich an.
    »Miliz?« schlage ich kühl vor. »Milizionäre?«
    »Ja, das genau, Milizen, sie kommen und nehmen Brüder und ihre Kinder, die Söhne. Sie nehmen alle mit. Zwei andere Brüder weg, kämpfen. Sie töten die Männer und Jungen mit Gewehren, aber meine Mutter, sie erstechen sie.«
    Sein Gesicht bleibt ausdruckslos, während er mir das erzählt, er führt sogar mit der Hand eine kleine zustechende Geste aus, als erzählte er eine Anekdote. Ich verhalte mich ganz still, beobachte ihn von meinem Platz gegenüber.
    »Meine Frau und Kinder gehen vor dem Krieg. Ich weiß nichts von ihnen, ich glaub, meine Frau hat anderen Mann. Von meinen Brüdern ist nur allein übrig der Neffe. Er ist Baby. Er ist nicht getötet. Er wird in Wald liegen gelassen, neben den Toten. Ich finde ihn, in der Nacht, und da ich sehe die Leichen von Brüder. Ich geh nachts in Wald, obwohl ich nicht weiß, ob sie schon weg. Ich bin gegangen, für um zu finden Brüder und ihre Söhne. Ich suche viele Stunden. Dann ich hör das Baby schreien und geh hin, zu dem Schreien, ganz leises Schrei. Baby liegt auf dem Boden, noch gewickelt in Tücher. Ist jüngster Bruder, war Vater von Baby. Er liegt auf dem Boden neben Baby. Inzwischen ist Mond, der Himmel, Dinge am …« Er sucht nach dem Wort Wolken . Ich helfe ihm nicht. »Sie bewegen sich, die Dinge, und ich sehe. Mein Bruder«, er zeigt auf sein Gesicht, »er hat keine Augen.«
    Hier unterbricht er sich und sieht mich an. Sein Blick ist großäugig und wässerig, aber immer noch ausdruckslos. Seine Stimme hält unverändert den gleichen gleichförmigen Tonfall, selbst als er an die Stelle mit den Augen kommt. Dabei zeigt er mit den Fingern auf seine Augen, nicht, um das besonders zu betonen, sondern um sicherzustellen, dass ich ihn verstehe. Wie undurchsichtig unsere Gesichter uns machen, denke ich. Ich sehe seins an – fleischig, blass und schwabbelig – und merke, dass viele annehmen würden, er könnte sich von der Geschichte, die er mir erzählt, distanzieren, weil er so reglos ist und seine Lippen sich beim Sprechen kaum bewegen. Bevor mir Betty entrissen wurde, hätte auch ich das angenommen. Bevor ich meine Tochter verloren habe, hätte ich seine augenscheinliche Ruhe und Beherrschung einer Gefühlskälte zugeschrieben, doch jetzt weiß ich – aus bitterer Erfahrung –, dass gefühllos zu erscheinen, der Preis ist, den wir manchmal dafür entrichten, überhaupt sprechen zu können. Mr. A.s Worte sind sorgfältig gewählt und auf ihre schlichte, zögerliche Art gut verständlich, doch zwischen den Zeilen höre ich alles Mögliche mit. Diese Einsicht wurde mir zuteil.
    »Ich hebe Baby auf und trage in Dorf zurück. Der Lehrer kommt zu mein Haus, als Tag wird, und sagt, sie sind noch in der Gegend, und wenn ich bleiben, sie kommen und schießen mich und das Baby tot. Die Frauen sind schon alle weg, keine Kinder, sie alle fahren weg mit Bussen. Niemand ist da, um zu sein mit Baby, außer ich. Ich geh zum Haus vom Lehrer, und seine Frau mir gibt Flasche mit Wasser, und, und, und … Zucker, Zucker drin, für Baby, und sagt mir, wir jetzt gehen, gehen, gehen. Sie haben viel Angst. Erst ich will lassen Baby dort, aber sie sagen Nein, und dann, als ich geh Straße runter, ich denke, ist besser so. Ich hab Baby und Baby hat mich, Onkel. Ist gut so. Es sind zwei Tage bis in die Stadt. Es gibt andere Städte, aber ich hab gedacht, vielleicht sie sind da. Zuerst Baby schreit immer, dann schläft, dann er schläft zu viel, denke ich. Ich denke, das Baby wird sterben. Es gibt einen Bauern, den mein Onkel hat gekannt, in der Stadt. Ich geh zum Haus, der Bauer ist weg, aber die Frau ist da. Sie ist Zwillinge und sie gibt Baby Milch, wissen Sie, wie ein Mutter. Ich glaube, das hat gerettet Leben, sonst, nix gut. Sie ist gute Frau, hat viel Angst, aber gut, und dann wir gehen in Hauptstadt …«
    Stockend unterbricht er sich mitten im Satz, und

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