Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
miteinander. Wir gehen mit den Jungs am Strand spazieren. Die Steilküste meiden wir. Wir entdecken, dass es zwölf Kilometer entfernt in einem Dorf namens South Ketton einen neuen Spielplatz mit Klettergerüsten aus alten Holzplanken und Reifenschaukeln gibt.
Eines Tages gehe ich mit David zur Polizeiwache. Toni hat ihn gebeten vorbeizukommen, damit sie ihn auf den neuesten Stand der Suche nach Chloe bringen kann, und mich, ihn zu begleiten, warum auch immer. Es ist ein beklommenes, unergiebiges Gespräch. Wir sitzen uns in einem kleinen Verhörraum an einem Tisch gegenüber. Rechts vom Tisch steht ein Fernseher auf einem Gestell. Wir haben Rees und Harry mitgenommen, und Rees schaut ständig zum Fernseher und stupst mich an, weil er will, dass ich Toni frage, ob er sich etwas ansehen darf. Ich versuche, ihn ruhig zu halten, und schüttele immerzu den Kopf – unter anderen Umständen würde ich einen Scherz darüber machen, doch dafür ist die Situation zu ernst. Chloe hatte noch andere Konto- und Kreditkarten außer denen, die sie an jenem Tag in ihrer Handtasche trug, aber von keinem ihrer Konten wurde Geld abgehoben. In den Berichten der Küstenwache fand sich nichts. Das Wetter war sehr schlecht – Nebel auf See und gefrierende Nässe. Es gibt keine Zeugenaussagen, dass jemand sie den Parkplatz verlassen oder auf der Steilküste spazieren gehen sah. David verzieht kaum das Gesicht, während Toni uns das erzählt. Neben Toni sitzt ein Polizist in Zivil, der nichts sagt, aber als ich ihn ansehe, beschleicht mich ein seltsames, unbehagliches Gefühl, so als beobachtete er mich, habe aber, eine Sekunde bevor ich zurückschaute, den Blick abgewandt.
Tonis Förmlichkeit uns gegenüber verunsichert mich, bedenkt man, wie nahe sie uns gekommen ist, nachdem wir Betty verloren haben. Ich frage mich, ob sie es unpassend findet, dass ich so kurz nach Chloes Verschwinden so viel mit David zusammen bin, aber schließlich hat sie selbst angeregt, wir sollten mehr Zeit miteinander verbringen. Mit aufwallender Enttäuschung erkenne ich, dass sie, obwohl sie um meine nicht nachlassende Trauer weiß, im Kopf schon einen Schritt weiter ist, beim nächsten, dringlicheren Fall. In dieser Hinsicht ist sie genau wie alle anderen. Die sind alle im Kopf schon beim nächsten Schritt, so oder so. Nur David und ich hängen noch an Betty, nur wir beide verstehen, dass das immer so sein wird. Wir haben nicht darüber geredet.
Erst als alle aufstehen, wird die förmliche Steifheit des Verhörs ein wenig gelockert. Rees hüpft von meinem Schoß und geht zum Fernseher. David hatte Harry auf dem Arm, aber als er aufsteht, reicht er ihn mir. Was für ein Wonneproppen, Harry, weich, schwer und wohlriechend, er scheint ein pflegeleichtes Baby zu sein. Er lächelt viel. Reflexartig mache ich, was alle Eltern tun, wenn man ihnen ein Baby reicht: Ich beginne, Harry sanft auf dem Arm zu wiegen, obwohl er stillhält und nicht beruhigt werden muss.
David macht einen Schritt auf den Fernseher zu, vor dessen leerem grauem Bildschirm Rees Grimassen schneidet. »Weißt du, warum sie einen Fernseher hier drin haben?«, fragt er Rees.
Rees schaut zu Toni hinüber, die ihm zulächelt. »Damit sie sich Sendungen angucken können, wenn ihnen vom vielen Reden langweilig ist?«
David schüttelt den Kopf. »Nein, damit sie den Leuten Filme aus Überwachungskameras zeigen können, weißt du, diese Kameras in Läden, mit denen Leute aufgenommen werden, wenn sie was stehlen.«
»Wir haben in eine gewinkt!«, ruft Rees, dem einfällt, dass ich gestern mit ihm in einem Laden war, begeistert von der Vorstellung, Toni und der andere Polizist könnten ihn im Fernsehen gesehen haben.
»Ja, junger Mann«, fällt der Polizist mit nordenglischem Akzent ein, »und was manchen Dieben nicht klar ist: Wenn sie hier reinkommen, und wir fragen sie, ob sie was gestohlen haben, hat es keinen Sinn, zu sagen, sie waren’s nicht, weil wir es nämlich hier haben und ihnen zeigen können, dass wir es wissen.«
Rees ist schwer beeindruckt. Toni und ihr Kollege lächeln sich zu, erfreut, ihm so imponiert zu haben.
»Woher hast du das gewusst?«, frage ich David, während ich Harry auf den anderen Arm nehme, damit ich meine Handtasche vom Tisch nehmen kann. »Lass nur, geht schon.«
David hat die Arme ausgestreckt, um mir Harry abzunehmen, lässt sie aber sinken, als ich den Kopf schüttele. »Toni hat es mir früher mal gesagt, als ich hier war«, erzählt er, »nach Betty, als
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