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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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wir von einer Reise wiederkamen.
    Ich sehe Toni an. »Wie geht es David?«, frage ich.
    Ihre Antwort besteht aus einem unergründlichen Blick. Wir stehen im Flur, und sie weist Richtung Küche.
    In der Küche angekommen, bittet sie um ein Glas Wasser und sieht mir zu, wie ich es am Wasserhahn fülle. Als ich es ihr gebe, nimmt sie einen Schluck, stellt es ab und fragt ruhig: »Laura, wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Chloe?«
    Mit einem Blick über die Schulter antworte ich: »Ich weiß nicht, bestimmt auf der Totenfeier. Ich habe sie auf Willows Totenfeier gesehen.«
    »Haben Sie seither mit ihr telefoniert?«
    Darüber muss ich nachdenken. Da waren die Anrufe mit unterdrückter Rufnummer, die stummen Nachrichten, der Seufzer, aber gesprochen habe ich nicht mit ihr, nein. »Nein, nein … mit David hab ich natürlich gesprochen.«
    »Soweit ich weiß, hat er Ihnen ein wenig von Chloes Problemen erzählt.«
    »Die postnatale Depression, ja.«
    »Hat er Ihnen sonst noch etwas über ihre Beziehung erzählt?«
    »Nur, dass er sich Sorgen um sie gemacht hat.« Jetzt wird sie jeden Moment ein Notizbuch aufklappen, denke ich. Aber sie schreibt nichts auf, sondern stellt mir nur mit ihrer klaren, direkten Stimme Fragen, während sie mich mit diesem klaren, direkten Blick ansieht.
    Rees stürmt in die Küche und springt an mir hoch. Ich packe ihn, nehme ihn auf den Arm, und er strampelt vor Vergnügen mit beiden Beinen. Toni wendet sich erst zum Gehen, dann noch einmal zu mir zurück. »Harry, das Baby«, sagt sie zu mir, »wie alt ist er?«
    Die Antwort darauf muss sie kennen. »Acht Monate?«, erwidere ich vage. »So in dem Dreh.«
    Sie nickt, macht kehrt und geht.

    Chloes Verschwinden verbannt die Nachricht von Ahmetajs herabgestufter Anklage auf Seite drei der Lokalzeitung. Chloe ist die Titelstory. Das Foto, das sie von ihr bringen, ist unvorteilhaft – ihre zarten Gesichtszüge kommen darauf schlecht zur Geltung, sodass sie verhärmt wirkt. Auf dem Foto hat sie eine Hochsteckfrisur. Obwohl sie ein Partykleid trägt und die Aufnahme offensichtlich bei einem geselligen Anlass gemacht wurde, lächelt sie nicht. Sie zitieren David, der seiner Verzweiflung Ausdruck verleiht. An anderer Stelle sagt die Polizei, noch sei alles offen, doch der Umstand, dass ihre Handtasche im Auto zurückblieb, gebe natürlich Anlass zur Besorgnis; wenn ich den Artikel als Unbeteiligte lesen würde, wüsste ich meine Schlüsse daraus zu ziehen.
    Auf Seite drei der Zeitung findet sich eine lange Spalte über Ahmetaj und die Tatsache, dass eine große Gruppe von Bewohnern des Wagenplatzes an der Steilküste weitergezogen ist. Beamte der Einwanderungsbehörde haben Bedenken geäußert, einige Gruppenmitglieder könnten fortgezogen sein, um sich einer Festnahme zu entziehen. Ahmetaj war noch nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass man ihn wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort belangen wollte. Jetzt, da Anklage erhoben und er nicht mehr da ist, wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen.
    Ich weiß, dass sie ihn nicht finden werden. An dem Abend, als er zu mir nach Hause kam, habe ich in seinen Augen gesehen, dass ich es mit einem Mann zu tun hatte, der wusste, wie man spurlos verschwindet.
    Rees und ich bemühen uns, zu so etwas wie einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren. Es ist so schön, ihn wiederzuhaben; seit er zurück ist, sehne ich mich viel mehr nach ihm als vorher, als er nicht da war. Ich bringe ihn nur äußerst ungern in den Kindergarten und nur, weil ich glaube, dass feste Abläufe wichtig für ihn sind. Wenn er zu Hause ist, halte ich es kaum aus, in einem anderen Raum als er zu sein, und gehe ihm nach, sobald er sich in sein Zimmer verzieht. Mir wird klar, dass ich die Zeit ohne ihn nur überstanden habe, weil ich ihn ausgeblendet und dabei meine Trauer und Wut als Nebelwand benutzt habe – doch angesichts der gebündelten, fröhlichen Anwesenheit meines Sohnes lichtet sich der Nebel endlich. Hier ist mein Sohn, mein schöner, lebendiger Sohn. Ich habe so viel bei ihm wiedergutzumachen.
    Nachmittags, wenn er aus dem Kindergarten zurück ist, bemühe ich mich mehr um ihn, als ich es seit Bettys Verlust je tat. Wir gehen zusammen spazieren – das Wetter bessert sich so weit, dass wir wieder Lust darauf bekommen. Wir gehen einkaufen, setzen uns in Cafés. Er fängt an, anders als früher mit mir über Betty zu reden. Zwar benutzt er noch nicht die Vergangenheitsform, doch ist bei ihm offensichtlich eingesickert, dass

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