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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Hall hinter mir ins Schloss fällt, wird mir die Realität der Festnahme klar. Ich setze mich auf die schmale Matratze auf dem Betonpodest an der Wand. Sie ist dunkelblau, mit wasserfestem Plastikbezug. Die Zelle ist kalt und stinkt nach Urin. Oben in einer Ecke hängt eine Kamera, die Linse mit einer Plastikhalbkugel abgedeckt. Sie haben mir gesagt, wenn ich auf die Toilette in der gegenüberliegenden Ecke gehe, wird ein schwarzes Rechteck auf dem Monitor meine Intimsphäre schützen. Den Kopf in beide Hände gestützt, denke ich an David und Rees. Dann stelle ich mir vor, dass mich der Vollzugsbeamte draußen am Monitor beobachtet, wie ich auf dem Bett sitze, den Kopf in beiden Händen. Ich setze mich auf und lehne mich gegen die Mauer zurück, seufzend, mit geschlossenen Augen. Was für eine Erleichterung, dass ich nichts tun kann.
    Etwa vierzig Minuten später wird die Zellentür nach einer Reihe dumpfer Schnapplaute geöffnet, und zwei junge uniformierte Polizistinnen betreten die Zelle. Eine hat eine durchsichtige Plastiktüte mit etwas Weißem darin in der Hand. »Würden Sie bitte aufstehen?«, sagt sie.
    Ich stelle mich hin und sehe beide an.
    »Ziehen Sie sich bitte aus«, verlangt die andere Polizistin.
    »Ganz aus?«, frage ich überrascht.
    Sie ist sehr jung und stößt ein etwas verlegenes Gelächter aus: »Ja, ganz, leider.« Sie zuckt mit den Schultern. » BH -Träger, Sie wissen schon.« Diese Bemerkung stellt mich vor ein Rätsel – ich vermute, dass sie die Kleider wollen, um irgendwelche forensischen Untersuchungen durchzuführen, obwohl das keinen Sinn ergibt. Mir fällt ein, dass sie womöglich gerade mein Haus durchsuchen, oder Davids Bungalow.
    »Krieg ich sie wieder?«, frage ich mit einem Nicken in Richtung Kleider, die ich ihnen reiche.
    Die erste Polizistin hat den weißen Gegenstand hervorgezogen, der ein riesiger Papieranzug ist, ein lächerliches Gewand, wie ein Babyoverall. Sie legt ihn auf den wasserdichten Matratzenbezug neben ein Paar weiße Turnschuhe, die sie in der anderen Hand gehalten hat. »Keine Sorge, die kriegen Sie wieder«, gibt sie kurz angebunden zur Antwort.
    Noch während die Pflichtverteidigerin zu meiner Zellentür hereinkommt, verkündet sie: »Laura, ich hab schon mächtig Stunk gemacht, weil die sich erlaubt haben, Ihnen die Kleider wegzunehmen. Das ist so was von lachhaft und übertrieben; wir legen Beschwerde ein.«
    Ich sehe sie an: übergewichtig, Brille, dunkler Teint und sehr kurze, dicke, dicht gekräuselte braune Löckchen. Sie trägt einen beigen Hosenanzug mit elegant ausgestellten Beinen, darunter ein elfenbeinfarbenes Poloshirt. Ich bin ihr noch nie zuvor begegnet, aber nach nur einem Satz ist sie meine neue beste Freundin.
    »Ich friere«, sage ich. Das stimmt, ich bibbere seit einer Stunde. Mein Papieranzug macht bei jeder Bewegung ein albernes Raschelgeräusch. Auch wenn mich die Absurdität dieses Gewands nicht vor Kälte schützt, beschützt sie mich doch wenigstens vor dem Ernst meiner Lage. David , denke ich. Wo bist du? Warum kommst du nicht und holst mich?
    »Aber natürlich«, sagt sie. »Wir sehen zu, dass die Sie vor dem Verhör, das hoffentlich bald stattfinden wird, wieder in Ihre richtigen Kleider lassen.«
    »Warum haben sie mir die abgenommen?«
    »Selbstmordgefahr«, erklärt sie forsch, während sie sich neben mich auf die Matratze setzt und einen Notizblock zückt. »Was, wie ich ihnen gesagt habe, völlig hirnrissig ist, aber sie haben voll die Kind-verloren-, Unter-schwerwiegendem-Verdacht-festgenommen-Nummer abgezogen und wollen sich natürlich nur selbst absichern, doch das ist völlig hirnverbrannt.« Sie sieht mich an. »Leider wird die Presse kommen, selbst wenn wir Sie hier auf direktem Wege rauskriegen; daran können wir nichts ändern.« Sie schiebt ihre Brille den Nasenrücken hoch. »So, und jetzt fangen wir mal an, wollen wir?«
    Das Verhör findet in demselben Kabuff statt, in dem David und ich mit Rees waren. Die Pflichtverteidigerin war erfolgreich: Ich trage wieder meine eigenen Kleider. Ich sitze auf demselben Stuhl, auf dem ich zuvor gesessen habe. Derselbe Fernseher steht auf einem Gestell an einer Seite des Tisches. Verhört werde ich von dem stämmigen Polizisten, der mich verhaftet hat, und einer Polizistin, der ich noch nicht begegnet bin, auch in Zivil. Meine Verteidigerin sitzt an einer Seite.
    Wir lassen es langsam angehen. Sie bitten mich, ihnen zu erzählen, wie alt ich war, als ich David kennenlernte.

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