Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
die sich neben dem Eldorado der Eistruhe gegenseitig schubsen und anrempeln. Ranmali ist winzig, mit einem so breiten Lächeln, dass sie davon Pausbäckchen bekommt. »Einen schönen guten Tag«, sagt sie immer formvollendet mit einem Nicken, und obwohl ich ihren Namen weiß, kann ich mich nicht erinnern, wann ich ihn erfahren habe, und bin mir sicher, dass sie meinen nicht kennt. Ich bin einfach eine aus der Horde von Müttern, die, mit den Gedanken ganz woanders, hier durchziehen. Die meisten Läden in dieser Gegend haben Schilder im Schaufenster: Nicht mehr als zwei Schulkinder gleichzeitig oder Kinder nur in Begleitung Erwachsener. Ranmali scheint nichts gegen die lärmenden Grüppchen zu haben, die sie an jedem Nachmittag unter der Woche heimsuchen – auf mich wirken sie beängstigender als ein Trupp Betrunkener nach der Sperrstude. Sie weiß bestimmt, dass die älteren Jungs ab und an Sachen mitgehen lassen. Vielleicht hält sie das für den Preis, den sie entrichten muss, ein Berufsrisiko. Vielleicht mag sie Kinder – sie scheint keine eigenen zu haben. Ihr Lächeln versiegt nie.
Mit ihrem Mann verhält es sich anders. Während Ranmali hinter der Theke bedient, kommt er aus dem Hinterzimmer, um uns mit verschränkten Armen und verkniffenem Gesicht zu beobachten. Ranmali grüße ich seit vielen Jahren, aber ich habe keine Ahnung, wie ihr Mann heißt. Wir fürchten uns alle ein wenig vor ihm.
Ranmali kann nichts dafür, dass ihr Laden unmittelbar hinter der scharfen Kurve liegt, wo die Fulton Road einen widersinnigen Knick macht und zur Allee wird. Sie kann nichts dafür, dass ein Fahrer genau in dem Moment um die Ecke bog, aber dennoch ertrage ich ihren Anblick nicht. Sie war da. Vielleicht hat sie den Kopf meiner Tochter auf ihrem Schoß gehalten. Vielleicht ist sie auf der Straße neben ihr auf die Knie gefallen, mit hochgereckten Händen, die Handflächen nach oben gekehrt. Vielleicht stand sie ein oder zwei Sekunden lang daneben und starrte nach unten, ehe sie sich verzweifelt umsah und nach ihrem Mann schrie. Vielleicht hat sie Bettys Gesicht gestreichelt. Ich habe mir die Szene in tausend verschiedenen Varianten ausgemalt. Ranmalis Anwesenheit ist eine der wenigen Tatsachen, die mir bekannt sind, und daher die einzige feste Größe in meinen Vorstellungen. Meine Tochter, wie sie auf der Straße liegt: Ich hätte da sein sollen, doch stattdessen war Ranmali da.
Ich weiß, dass der Fahrer ein Mann war. Ich weiß, dass er verhört wurde, dass er nicht betrunken war und dass die Ermittlungen laufen. Mehr will ich nicht wissen, denn ich weiß genug, um zu wissen, dass er nicht menschlich ist – genau wie ein Blitz aus heiterem Himmel ist er kein Lebewesen. Er hat nicht existiert, bevor sein Leben mit dem meiner Tochter zusammenstieß.
Mein Haus ist voller Menschen. Ich denke an Ranmali. Ich denke an ihr lächelndes Gesicht, verwandelt, als sie aus ihrem Laden lief, als sie das Kreischen der Bremsen und einen Aufprall hörte. Vielleicht schaute sie damals gerade aus dem Fenster. Vielleicht sah sie, wie Willow auf die Grasböschung geschleudert wurde, und bekommt das Bild jetzt nicht mehr aus dem Kopf. Ich denke an Ranmali, wie sie in ihrer Wohnung über dem Laden weint, ihrem Mann nichts kochen kann, auf einem Stuhl vor- und zurückschaukelt. Ich frage mich, ob ihr Laden noch geöffnet ist, ob die anderen Mütter verstummen, wenn sie ihn betreten. Toni hat mir erzählt, dass die Leute auf dem Bürgersteig davor Blumen niederlegen. Ich weiß nicht, wie ich das finde, aber ich glaube, dass es mich irgendwie indirekt kränkt. Toni hat mir angeboten, mich hinzubringen, damit ich die Blumen sehen kann, sobald ich mich dazu in der Lage fühle.
Toni, Antonia Saunders, ist die blonde Polizistin, die mir die Nachricht überbracht hat. Nachdem sie mich an jenem Abend nach Hause gefahren hatte, saß sie mit einer Tasse Tee an meinem Küchentisch und erklärte mir, dass man einen Familienvertrauensbeamten für mich abstellen werde, der mich durch die anstehenden Prozeduren begleiten werde.
Ich sah sie an. »Ich will Sie«, sagte ich.
Behutsam erklärte sie mir, dass der Familienvertrauensbeamte in der Regel nicht diejenige Person ist, die der Familie die Nachricht überbracht hatte. »Ich habe keine FVB -Ausbildung«, fügte sie hinzu.
Das Kürzel erinnerte mich an mein Berufsleben – der NHS , eine Organisation, die ohne ihre Kürzel in einer Lache aus Steuergeldern untergehen würde. »Diese FVB
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