Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
Vom Netzwerk:
hat, damit ich keine Ängste mehr ausstehen muss. So war sie. Sie war so ein Kind, das mir kleine Botschaften schrieb, bevor sie und Rees zu ihrem Vater fuhren. Liebe Mummy, hoffentlich bist du an diesem Wochenende nicht traurig, denn ich hab dich viel viel viel viel doller lieb als Daddy und Chloe. Ich weiß dass Rees heute morgen fies zu dir war aber das war bestimmt nur weil er nicht so gut drauf war denn weißt du eigentlich vergöttert er dich. Hoffentlich gefällt dir dein Film. Bitte vergiss nicht die Salzkrebschen zu füttern. BITTE. von Betty HDGDL
    Wie ich da so auf der Bank sitze, Rees halbwegs im Auge, in meine Gedanken an Betty versunken, bin ich zufrieden.
    Plötzlich eine Katastrophe: Gerry Mason kommt den Weg entlang, schiebt ihr Einjähriges in einem Buggy und redet auf ihre Tochter Maeve ein, die etwa vier sein muss, glaube ich – jedenfalls noch nicht ganz im Vorschulalter.
    Ich warte, bis Gerry mich bemerkt, friedlich eingemummelt auf meiner Bank. Ich starre sie so lange an, bis sie meinen Blick erwidert. Sie schaut auf und zuckt förmlich zusammen – ungeschickt von ihr. Sie zögert, aber Maeve hat das Spielplatzgatter schon aufgestoßen, und Gerry streckt die Hand aus, um es aufzufangen, bevor es gegen den Buggy stößt. Jetzt kann sie schlecht noch einen Rückzieher machen. Unerbittlich fixiere ich sie weiter, und sie schaut zu Boden. Sie schiebt den Buggy durch das Törchen und sieht sich um. Als sie Rees auf dem Klettergerüst entdeckt, grinst sie ihm zu – Maeve rennt schon Richtung Sandkiste. Da Gerry sich unter meinem starren Blick unwohl fühlt, geht sie vor dem Buggy in die Hocke und macht sich damit zu schaffen, das Baby abzuschnallen, das vollkommen zufrieden ist, wo es ist. Ich frage mich, wohin sie sich setzen wird. Es gibt nur eine Bank. Schließlich ist es ein sehr kleiner Spielplatz – eigentlich kaum der Rede wert. Sie muss sich innerlich wappnen, während sie das Kleine herausholt. Sie wird zu mir rüberkommen müssen. Jetzt spult ihr Hirn Sätze ab.
    Ich stehe von der Bank auf und gehe rüber zum Klettergerüst, pflücke Rees ab und flüstere ihm zu: »Komm, wir gehen Kuchen kaufen. Du darfst dir eine Sorte aussuchen.« Erstaunt sieht er mich an, fragt dann: »Zitrone?« Ich nicke. Er lässt sich von mir auf dem Boden absetzen. Ich nehme seine Hand.
    Unterwegs zum Gatter gehen wir an Gerry vorbei. Mit knapp zwei Metern Abstand kommen wir auf gleiche Höhe, und ich lasse Rees’ Hand los, um einen Schritt auf sie zuzumachen, während sie immer noch vor dem Buggy hockt, weiter an den Gurten herumfummelt. Ich beuge mich ein klein wenig zu ihr runter. Als sie hochguckt, ringt sie sich ein unsicheres Lächeln ab. Zur Erwiderung fauche ich: »Es ist nicht scheißansteckend, weißt du.« Dann wende ich mich ab, nehme Rees an der Hand und lächle zu ihm runter. Er lächelt zurück. Hand in Hand gehen wir vom Spielplatz und lächeln uns zu.
    Am Morgen nach diesem Vorfall auf dem Spielplatz kommt Toni vorbei. Ich sitze am Fuß der Treppe mit Blick zur Tür. Seit etwa einer halben Stunde, Bettys Lieblingsschal in Händen. Sie hätte ihn an dem Tag tragen sollen, beschloss aber in letzter Minute, dass er nicht zu ihrer neuen Cordjacke passte. Es ist eins dieser flauschigen, fließbandproduzierten Dinger, die wie handgestrickt aussehen sollen, sehr lang, mit Fransen an beiden Enden, in lauter verschiedenen Blau- und Grüntönen – Meerjungfrauenfarben, hat Betty immer gesagt. Meinen Meerjungfrauenschal hat sie ihn genannt. Einmal, als sie ihren Bruder dabei erwischte, wie er ihn an das obere Treppengeländer band, wurde sie so wütend, dass ich schon dachte, sie würde Rees die Treppe runterschubsen. In diesem Winter hatte sie den Schal dauernd um, und obwohl ich ihn nicht besonders mochte, hat er nun die gleiche Zauberkraft wie alle ihre Sachen angenommen.
    Ich befingere ihn lange. Dann ziehe ich ihn mir übers Gesicht und schluchze hinein. Ich drifte in eine dieser Stimmungen ab, wie sie mich immer wieder überkommen: ein Augenblick reinen Schmerzes. Die meiste Zeit ist das Wissen um Bettys Fortbleiben ein komplizierter Schmerz, dem Ärger, Verwirrung und Verständnislosigkeit beigemengt sind; doch dann gibt es immer mal wieder so einen Augenblick – Schmerz, so scharf wie ein Glassplitter, ein Moment, in dem ich nicht fassen kann, dass ich nicht daran sterbe, wie ich mit Sicherheit stürbe, wenn mir jemand mit einem sehr dünnen Messer die Brust durchbohren würde. In diesen

Weitere Kostenlose Bücher