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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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beobachteten wir sie von der Türschwelle, spähten rein, spionierten ihr nach. Kick, kick, kick machten ihre kleinen Beinchen. Kick, kick, kick. Bis sie irgendwann zur Ruhe kam, als hätte jemand den Schalter umgelegt, eine ruhende Silhouette im Dämmerlicht unter einer sich langsam drehenden Myriade orangefarbener Dreiecke.
    Nach einer weiteren langen Pause schiebe ich die Daunendecke zurück und gehe ins Bad. Dort ziehe ich mein Nachthemd hoch und pinkle im Dunkeln, ohne mir danach die Hände zu waschen. Ich tappe die Treppe hinab, die Arme gegen die Kälte des ungeheizten Hauses um den Leib geschlungen. Unten angekommen, gehe ich zum Garderobenständer und nehme meinen Mantel ab, den schweren wollenen, alt, aber gemütlich. Am selben Haken hängt Bettys Wollschal, ihr Meerjungfrauenschal. Den wickele ich mir um den Hals. Ich sehe mich nach Schuhen um.
    Draußen ist die Luft frisch, kalt wie Wasser, klar und weich. Nachtluft, denke ich, besser als Kaffee oder sonstige Stimulanzien. Ich fühle mich so wach wie seit Wochen nicht mehr, wie ich so zügig die Straße entlanggehe, die Arme noch vor der Brust verschränkt, während mein Nachthemd unter dem Mantel weht. Ich habe keinerlei Strümpfe an, und meine Wanderstiefel – das erste Paar Schuhe, das mir unterkam – scheuern etwas an den Füßen, was die gleiche Wirkung wie die erfrischende Luft erzeugt: Es stimmt mich euphorisch.
    Die Laternen an unserer Straße sind spärlich gesät und matt. Sie spenden einen schwachen, weißlichen Lichtschein, so schwach, dass man kaum etwas davon merkt, und ich frage mich, ob irgendwo im Rathaus ein großer Schalter um diese Zeit alle Laternen dimmt. Jedes Haus ist dunkel. Ich denke, wie interessant es ist, überall die Futterstoffe der Vorhänge sehen zu können, was normalerweise nicht geht, wenn sie von innen beleuchtet sind. Als ich in die Hauptstraße einbiege, sehe ich Licht in einem einzigen Fenster, ein kleines Quadrat oben in dem Einfamilienhaus an der Ecke. Jemand ist wach und im Bad – auch wenn ich die Bewohner dieses Hauses nicht kenne, ärgert es mich einen Moment lang, dass ich die Nacht nicht für mich allein habe.
    Die Hauptstraße liegt einsam und verlassen da. Ich brauche zehn Minuten, um sie bis zu Ende zu gehen, und in dieser Zeit fährt nur ein Auto vorbei, mit hoher Geschwindigkeit, jemand, der es eilig hat, nach Hause zu kommen. Kurz vor dem Kreisverkehr überquere ich die Straße, verblüfft, wie einfach das geht. Ich bin es gewöhnt, mein Recht, auf einer Straße zu sein, auszuhandeln, ob zu Fuß oder hinter dem Steuer, bin an das Gefühl gewöhnt, dass meine Einnahme jedes verfügbaren Raums sorgfältig geplant werden muss und nur mit Genehmigung anderer erfolgen darf. Was für ein aufregendes, ermutigendes Gefühl, dass diese Nacht mir gehört. Warum hab ich das nicht schon öfter gemacht?
    Für den Fußweg zu Bettys Schule haben wir gewöhnlich zwanzig Minuten gebraucht – länger, wenn Rees wie so oft darauf bestand, aus dem Buggy zu klettern. Es war immer eine Erleichterung, wenn wir an der Fulton Avenue ankamen, der vorletzten Straße. Fast da. Wir schaffen es gerade noch vor dem Klingeln. Wenn wir auf der linken Straßenseite gingen – gegenüber von Ranmalis Laden –, verabschiedete ich mich manchmal von Betty und ließ sie allein weiterlaufen.
    Jetzt gehe ich auf der linken Seite. Ich stehe auf dem Bürgersteig. Mit dem Rücken zu Ranmalis Laden schaue ich Richtung Sportplatz, dessen Tore mit einer schweren Kette samt Vorhängeschloss gesichert sind. Überall an den Gitterstäben sind welke Blumensträuße festgebunden, baumeln mit bis zur Unkenntlichkeit verschrumpelten Blüten schräg herab. Die in Klarsichtfolie verpackten sind noch rascher verfault als die anderen, mit braunem Schleim an der Innenseite. An manchen sind Zettel befestigt. Ich trete näher und versuche, einen zu lesen, doch der Regen hat die Schrift verwischt, die nur noch aus ein paar schrägen, hellblauen Linien besteht. Unten am Geländer liegen mehr Blumen, die genauso vergammeln, darunter ein paar frischere, deren Blüten noch zu erkennen sind, etwa ein Strauß rosa Chrysanthemen. Daneben sind drei Plüschtiere aufgereiht, zwei Teddys und eine Kuschelente. Die Ente wurde von vorbeifahrenden Autos mit Schlamm bespritzt und liegt mit verfilztem Fell auf der Seite. Ein Teddy ist blau. Er hat ein gelbes T-Shirt und einen gelben Hut an.
    Ich kehre den vermodernden Blumen und dem blauen Teddy den Rücken. Rechts von mir

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