Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
hatten sich dieses eine Mal widerstandslos hinlegen lassen. Ich hatte eine Auflaufform im Ofen, eine Flasche Wein entkorkt. Es war Freitagabend, in vergangenen Jahren unser Lieblingsabend der Woche. Ich wartete darauf, dass David sich umzog, bevor ich das Abendessen auftrug.
Er kam ins Wohnzimmer, setzte sich neben mich aufs Sofa und nahm meine eine Hand zwischen seine beiden. Dann schaute er auf unsere vereinten Hände und sagte: »Ich weiß, dass es in den letzten paar Jahren ganz schön schwer für dich war, wirklich. Ich weiß, du findest, dass ich furchtbar egoistisch war, aber es stimmt schon, ich weiß wirklich, dass es schwer für dich war.« Lächelnd wandte ich mich zu ihm um und spürte, wie mich die Liebe zu ihm durchströmte. Später kränkte es mich, dass ich ein, zwei Sekunden lang glaubte, er hätte aus Zuneigung und nicht aus schlechtem Gewissen meine Hand so zärtlich in seine beiden genommen. Ich glaubte, er würde damit fortfahren, wie leid ihm all der Kummer tue, den er mir bereitet hatte. Vielleicht wollte er gleich danach vorschlagen, dass wir ein Wochenende zusammen wegfuhren, nur wir beide, und sagen, er habe mit seiner Schwester gesprochen, die uns gelegentlich angeboten hatte, die Kinder bei sich übernachten zu lassen. Gibt es überhaupt irgendwelche Grenzen der Selbsttäuschung, zu der ein Mensch fähig ist? Sie ist wie eine Wüste, die sich erstreckt, so weit das Auge reicht.
Ich streichelte seine Haare – sie waren immer ein wenig drahtig und abstehend, wenn er sie nicht ordentlich kämmte. Er hatte noch reichlich davon, auch wenn er früh ergraut war. Morgens war es das, was man als wüste Mähne bezeichnen kann. Es stand ihm allerdings, er hatte was von einem verrückten Professor, selbst in seinem Geschäftsanzug. Er hatte sich umgezogen, war in eine Jeans geschlüpft, hatte sich ein altes braunes T-Shirt übergestreift und dabei das Haar zerwühlt, daher strich ich es ihm sanft, mit den Fingerrücken, aus dem Gesicht und sagte: »Ich weiß, Schatz. Ich weiß, dass du es weißt. Ich weiß, dass du mir nie wehtun wolltest.« Nennen wir es nicht Naivität. Sondern Idiotie. Was sonst hätte mich dazu verleiten können, eine Zeile direkt aus einem Country & Western-Song in den Mund zu nehmen? Blind, dumm und blind – aber vor allem anderen dumm.
Sein Kopf war noch gesenkt. Ich senkte meinen auch, um ihn dazu zu bringen, mir ins Gesicht zu sehen. »Hey«, sagte ich sanft. »Ist schon okay. Ich hab marokkanisches Lamm gemacht.« Was für eine idiotische Bemerkung. Etwas tief in meinem Inneren muss wohl allmählich den bitteren Ernst dieser einleitenden Worte begriffen und versucht haben, das Gespräch auf das Häusliche, das Alltägliche zu lenken. Ich habe Essen schon immer als Geheimsprache benutzt, als Signal an die, die ich liebe. Darin bin ich gut. Es erreicht sie. Den Fernseher hatte ich leise gestellt, weil ich mir noch nicht ganz sicher war, dass die Kinder schliefen. Im Hintergrund brach das Studiopublikum der Quizsendung, die ich mir angesehen hatte, gedämpft in donnernden Applaus aus.
Ich machte Anstalten aufzustehen, um in die Küche zu gehen und uns beiden ein Glas Rotwein einzuschenken, doch er hielt meine Hand fest in seinen, damit ich sitzen blieb.
Ein kurzes Schweigen kam auf, ehe mich das Wissen darum, was er gleich sagen würde, wie ein Hammerschlag traf, so hart und gewaltig wie eine einstürzende Zimmerdecke während eines Erdbebens, als stürzte unser gesamtes Haus ein, denn so war es ja auch. Ich zog meine Hand aus seinen – mit Gewalt, denn er sträubte sich –, stand vom Sofa auf und begann vor ihm zurückzuweichen. Er sah zu mir hoch, mit offenem Gesicht und Augen, aus denen das Mitleid troff.
Ich glaube wirklich, dass ich in dem Augenblick zeitweise vollkommen verrückt wurde; verrückt von der Demütigung, verrückt von dem Wissen, dass ich nach jahrelangen Kämpfen und mit den Kindern als nichts ahnenden Verbündeten doch noch verloren hatte.
Das konnte nie und nimmer eine einvernehmliche Scheidung geben. Einvernehmlich ist mit mir nicht drin. Was folgte, war hässlich – hätte jemand es mir vorher geschildert, ich hätte nicht geglaubt, wie hässlich es werden konnte.
10
Der erste anonyme Brief kam, zwei Monate nachdem David das Familiendomizil verlassen hatte, wie die Anwälte es ausdrückten, und mit Chloe zusammengezogen war. Liebe Laura – die Vertrautheit dieser Anrede. Ich machte mir Gedanken über den Gebrauch des Wortes »lieb«. Du
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