Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
ist bei allen gleich. Und wie lange hält es an, wenn’s hochkommt, drei Monate?«
In die Schlange kam Bewegung. Jane, offensichtlich gekränkt, schob ihren Wagen ein paar Zentimeter vor, ohne die Schwester einer Antwort zu würdigen. Sie wandte den Kopf zur Seite, und ich sah, dass sie die Augen weit aufsperrte vor Anstrengung, nicht zu aufgebracht zu wirken – oder vielleicht unterdrückte sie ihre Tränen.
Tolstoi. Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; aber jede unglückliche Familie … Woher kannte ich das? Ich hatte nie etwas von Tolstoi gelesen. Dann fiel es mir ein. An das Zitat erinnerte ich mich von einem Pubquiz, an dem ich vor ein paar Jahren teilgenommen hatte. Ich wollte mich vorbeugen und es ihnen sagen, vermutete aber, dass die große Schwester mir gehörig über den Mund fahren würde. Sie sah nicht nach jemand aus, mit dem man sich in der Supermarktkassenschlange anlegte.
Als ich draußen auf dem Parkplatz meine Tüten verstaute, gerade die letzte in den Kofferraum gehievt hatte, ging es mir auf – drei Monate , bei allen gleich, wie diese Frau gesagt hatte, verliebt bis über beide Ohren. Nicht realistisch. Nichts, worauf man einen Lebensplan aufbauen sollte. Genau drei Monate waren David und ich zusammen gewesen, als diese Sache auf den Klippen passiert war. Vielleicht war es das. Vielleicht erklärte das alles. Ich knallte den Kofferraumdeckel zu und blieb kurz stehen, auf die Handknöchel gestützt, mit gesenktem Kopf, schwer atmend. Ich dachte daran, wie er mich an jenem Tag über die Kante gehalten hatte, wie unter der spielerischen Geste eine echte, wirre Wut lauerte. Die hatte ich gespürt und für den Widerstand eines Mannes gehalten, der sich seinen Gefühlen nicht stellen wollte – er liebte mich, das machte ihm Angst. Als er mich über den Vorsprung hielt und zwang, auf die anbrandenden Wellen hinabzusehen, dachte ich, er wollte mir, und sich selbst, zeigen, wie unser Leben ohne einander wäre, welche Trostlosigkeit uns erwartete, wenn wir diesen Moment ungenutzt ließen. Wie ich mich doch geirrt hatte. Er war wütend auf sich selbst, weil er die falsche Entscheidung traf, noch während er sie traf – und wütend auf mich, weil ich der Anlass dazu war.
Das war das Schlimmste an Chloe. Sie brachte mich dazu, meine gesamte Beziehung mit David umzuschreiben, noch die kleinsten Handlungen und Gesten umzudeuten, selbst solche, die sich, lange bevor sie in unser Leben trat, ereignet hatten. Als er mich über den Klippenrand hielt und auf die Wellen hinabsehen ließ, so dachte ich dort auf dem Supermarktparkplatz, zeigte er mir nicht unsere Leben getrennt voneinander, sondern unser gemeinsames Leben. Er zeigte mir, was auf uns zukam, das kalte, braune Wasser, das mich erwartete, wenn ich nicht mehr sein kostbares Liebesobjekt war, wenn er so weit war, mich loszulassen, mich über die Kante gehen zu lassen.
Jetzt wusste ich, was Tante Lorraine gemeint hatte: der Preis, den ich gezahlt hatte. David war ein Mann der großen Gesten. Er genoss Dramatik. Er war der Typ Mann, mit dem man eine Affäre haben, den man aber nie heiraten sollte – doch selbst dieser Typ Mann muss jemanden heiraten, und David hatte mich gewählt, genau zu dem Zeitpunkt, als wir uns hätten trennen sollen. Und schon bekamen wir Betty, und wir hatten die Leidenschaft und Neuheit eines Babys. Als das jedoch verflogen war, waren wir einfach nur ein Paar mit einem Kind, wie jedes andere Pärchen …
Und das Umdeuten nahm kein Ende.
David war mit den Kindern zum Spielplatz gegangen, während ich die Einkäufe erledigte. Als sie alle wiederkamen, saß ich am Küchentisch. Einkaufstüten waren darauf abgestellt, und auf dem Fußboden. Es war ein Winternachmittag, grau draußen und düster in unserer Küche mit der niedrigen Decke, aber ich hatte kein Licht angemacht, obwohl die Zentralheizung bollerte und die Tiefkühlkost in einer der Tüten vor sich hin taute, sich in der Tüte schon eine Wasserpfütze gebildet hatte. Ein Zwei-Liter-Karton Milch hatte eine andere Tüte aus dem Gleichgewicht gebracht, sodass Joghurt und Butter hervorquollen, als hätten die Lebensmittel beschlossen, auf ihre eigene zögerliche Art herauszukriechen und ihre neue Umgebung zu erkunden. Ich saß im Zwielicht am Tisch und war in Tränen aufgelöst. David kam zuerst rein, den schlafenden Rees, der mich nicht sah, auf dem Arm. Betty war noch im Flur und trat sich die Schuhe von den Füßen. Beim Hereinkommen knipste David das
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