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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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den Sog in der tiefen Stille des einhüllenden Nebels und einlullend monotonen Wellenschlags. Oben auf den Klippen war die Anziehung der Schwerkraft nicht stark genug gewesen; der kühle Nebel jedoch, die einladend sanft plätschernden Wellen sprachen mich anders an als das überwältigende Gefühl des Abgrunds. Vielleicht bist du gar kein Feigling, schienen sie zu flüstern, sondern wolltest nur freundlich gefragt werden. Wie einfach es wäre , dachte ich mir. Zieh die Schuhe aus, zieh den Mantel aus – du musst dich nicht ganz ausziehen. Du könntest auch alles anbehalten und deine Taschen mit Kieseln beschweren, wenn du es beschleunigen willst. Du warst noch nie eine gute Schwimmerin, und das Wasser ist sehr kalt. Wenn du einfach immer weitergehst, so weit du kannst, schaffst du es nie zurück, selbst wenn dich die Angst packt. Ein paar kräftige Schwimmzüge nur, und du bist zu weit draußen, ehe du dich’s versiehst. Die Wellen plätscherten und brachen sich, oh, so sanft, plätscherten und brachen sich auf den Kieselsteinen. Hinter dem Nebel war nichts zu sehen – kaltes Wasser und mehr Nebel lagen da draußen. Seine Dichte war eine Illusion. Wenn ich hineinging, würde er auseinanderweichen, nur um immer neue Schwaden zu produzieren, seine scheinbar feste Substanz ständig außer Reichweite. Das Wasser ist eiskalt. Du wirst im Nu betäubt sein.
    Zu gern würde ich behaupten, dass der Gedanke an meine beiden Kinder mich davon abhielt, in diesen Nebel hinauszuwaten – in gewisser Weise stimmte das zwar, aber in keiner, die ein gutes Licht auf mich wirft. Ich dachte an Chloes Schwangerschaft und daran, wie Betty und Rees sich freuen würden, wenn sie erfuhren, dass sie ein Brüderchen oder Schwesterchen bekamen. Dann dachte ich daran, dass sie, wenn ich stürbe, in einer nagelneuen Familie aufwachsen würden, vollständig und folgerichtig; wie Rees, selbst noch ein Kleinkind, Chloe fraglos als Mutter akzeptieren würde. Ich stellte mir vor, wie er als großer Junge zu einem Freund sagen würde: »Meine richtige Mutter ist gestorben, da war ich ein Winzling, deshalb kann ich mich nicht so richtig an sie erinnern.« Ganz gleich, wie gut oder schlecht er sich mit seiner Stiefmutter verstand, sie wäre auf jeden Fall die Hauptkonstante in seinem Leben, auf Gedeih und Verderb. Wenn ich meinem Verlangen nachgab, würde Chloe nach dieser nebligen Nacht alles haben, alles, was ich je geliebt und woraus ich mir je etwas gemacht hatte. Nicht die Liebe zu meinen Kindern rettete mir in jener Nacht das Leben, sondern der Hass auf Chloe.
    Seltsam, wie einen Kleinigkeiten treffen können, wenn sie einem wie Akupunkturnadeln unter die Haut gehen und genau solche überproportionalen Wirkungen erzeugen. Ein paar Monate nachdem ich von Chloes Schwangerschaft erfahren hatte, aber noch vor Henrys Geburt rief Tante Lorraine mich eines Abends an, um zu fragen, was Rees sich zum Geburtstag wünschte. Wir führten eine ernsthafte Diskussion darüber, wie viele Hot-Wheels-Spielzeugautos ein Dreijähriger eigentlich braucht. Er war auf mehr Plastikschienen versessen, um seinen Hot-Wheels-Autos einen Looping zu bauen, durch den sie flitzen konnten, und plädierte außerdem für die Anschaffung eines Hamsters. Ich war ein wenig beunruhigt, dass beides miteinander kombiniert werden könnte.
    »Mehr Autos«, sagte ich zu Tante Lorraine. »Gebrauchsfahrzeuge, du weißt schon, Feuerwehrautos, Abschleppwagen und Polizeifahrzeuge.«
    »Hat er einen Krankenwagen?«
    Ich überlegte. »Ich glaube, er hat drei.«
    »Na, wenigstens gehen sie nicht ständig verloren, so wie all dieses klitzekleine Puppenzeugs, das Betty so gemocht hat.« Nicht die Puppen an sich gingen verloren, sondern ihre kaum erbsengroßen Elastiksachen; die rosa Winzbikinis, orangen Stretch-Miniröcke und türkisen Miniatur-Gummistiefel. Sämtliche massenproduzierten Puppen, die Betty so gern mochte, kamen mit Outfits daher, die sich höchstens für Lapdance eigneten, wirkten aber, als seien sie im Grunde ihrer Herzen häusliche Wesen. Es gab auch dazu passende winzige Hunde, und ebenso winzige Geschirrspülmaschinen. »Diese Yuccapalme, die du mir zum Geburtstag gebracht hast, hält sich noch prima. Ich hab die Schleife drangelassen.«
    Ich hatte Tante Lorraine an ihrem letzten Geburtstag nicht besucht – er war in die Phase kompletter Funkstille zwischen David und mir gefallen. Zwar hatte ich mich an das Datum erinnert und ihr eine Karte gekauft, mich dann aber von

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