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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Ee-dy!«
    Sobald die Kinder eingeschlafen waren, schickte ich David eine SMS . Wer zum Teufel ist Eedy?
    Seine Antwort musste er sich sorgfältig überlegt, vielleicht vor dem Abschicken Chloe gezeigt haben, weil es eine halbe Stunde dauerte, bis sie ankam. Edie ist Spitzname von Chloe. Batterie war leer und Richard konnte Starthilfekabel nicht finden da kam sie. Lorraine hat sie reingebeten. War nicht geplant. Sorry.
    Da ich mir nicht zutraute, eine wohlüberlegte Antwort zu verfassen, war ich dieses eine Mal im Leben vernünftig genug, nicht zu antworten
    Edie. E. Ich fragte mich, ob er auch sie mit Nachnamen anredete, oder mit ihren Initialen. Und ob er auch sie so foppte, dass er auf etwas an ihrem Top oder Pulli deutete, bis sie runterschaute, nur damit er ihr einen Nasenstüber versetzen konnte, während sie den Kopf senkte.
    Eine Woche später rief David an. Ich hörte mir schweigend seine detailreiche und umständliche Erklärung an, warum er an jenem Sonntag Chloe anrufen musste, damit sie seinem Auto Starthilfe geben konnte, warum Lorraine Chloe ins Haus gebeten hatte und warum er es für wahrscheinlich gar nicht so verkehrt hielt, dass die Kinder Chloe überraschend und unvermittelt kennengelernt hatten, ohne dass ein großes Drama daraus gemacht wurde. Er versicherte mir, wie leid es ihm tue, dass er mich nicht vorher befragen konnte, und dass es ehrlich nicht geplant gewesen sei, da müsse ich schon sein Wort darauf nehmen. Dann schlug er einen anderen Ton an und berichtete mir mit beleidigender Liebenswürdigkeit, dass Chloe und er ein Kind erwarteten.

11
    Am nächsten Morgen ging ich zur Steilküste, sobald ich die Kinder abgegeben hatte. Ich bildete mir ein, es wäre gut, an die Stelle zu gehen, wo David damit gedroht hatte, mich in den Abgrund zu stürzen, um mir bewusst zu machen, dass meine Ehe beendet war. Ich weiß nicht recht, warum ich das für eine gute Idee hielt – vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem Ärzte im achtzehnten Jahrhundert Aderlass betrieben. Vielleicht dachte ich, wenn ich mir etwas zusätzliche Aufregung verschaffte, würde ich mich danach erschöpft fühlen – nicht unbedingt besser, aber zu ausgelaugt, um mir noch etwas daraus zu machen.
    Alles lässt sich rückgängig machen, nur ein Kind nicht. Ein Kind wird immer da sein, dachte ich, ganz gleich, was sonst ist.
    Ich tat alles, was mich am meisten schmerzen würde. Langsam, mit großen Schritten, ging ich bis zu der Stelle, wo David mich mit dieser seltsamen Mischung aus Leidenschaft und Wut gepackt hatte, vor fast zehn Jahren. Während ich die Steigung hinaufschritt, sah ich ihn und mich vor mir, Hand in Hand, wie wir den Rest unseres Lebens miteinander teilen wollten. Ich stellte mir vor, wie er mich packte, vielleicht selbst noch im Unklaren, was genau er vorhatte. Beim Gehen rieb ich über meine Oberarme, spürte den festen Griff seiner Hände darauf und erinnerte mich an meine plötzliche Erkenntnis, dass das über seine üblichen Kabbeleien hinausging. Ich erinnerte mich an die jähe Wut und Leidenschaft in seinem Blick. Wie nicht anders zu erwarten, ging ich bis zum Klippenrand. Auch nach zehn Jahren war der Felsvorsprung noch nicht ins Meer gestürzt. Wurde allmählich wirklich Zeit, dachte ich.
    Während ich langsam Richtung Abgrund ging, stellte ich mir schon vor, wie ich nach unten auf die großen, gezackten Betonblöcke, die braunen Kiesel und das Grau und Weiß des Ärmelkanals starrte. Ich fröstelte heftig, von mehr als bloß der Kälte, und überlegte mir, wie einfach es wäre, stellte mir vor, genauso wie an jenem Tag über den Rand zu sehen, nur ohne dabei von Davids Armen gehalten zu werden. Stellte mir vor, wie ich vornüberkippte, erst langsam, mich dann von meinem Gewicht hinabziehen ließ, die Arme wie zum Flug ausgebreitet. Ich fragte mich, ob einem so ein Sturz den Atem raubte, ob man vielleicht schon bewusstlos war, wenn man unten aufschlug, oder ob das Bewusstsein auf dem gesamten Weg hinab über die Unumstößlichkeit der Entscheidung aufschrie. Einen mutigen Moment, mehr brauchte es dazu nicht. Danach hätte man keine Wahl mehr.
    Gern würde ich sagen, dass ich, als ich mich dem Klippenrand näherte, tatsächlich überlegte, mich in den Abgrund zu stürzen, mich einfach nur auf die Kante zu stellen und vornüberkippen zu lassen, womöglich ohne einen Blick nach unten. Gern würde ich sagen, dass ich den Sog der Schwerkraft verspürte, die magnetische Anziehungskraft der Betonblöcke

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