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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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hatte, schaute sie zu Boden, weshalb ich sie genau wie beabsichtigt beim Näherkommen beobachten konnte. Ich war überrascht. Ich hatte einen Tick mehr Glamour erwartet. So war ich erleichtert und gekränkt zugleich. Ich ließ sie nicht aus den Augen, hoffte, sie würde wieder aufschauen und feststellen, dass ich sie beobachtete, doch den Gefallen tat sie mir nicht.
    »Das ist sie, Mum«, sagte Betty, und die Verachtung in ihrer Stimme baute mich auf.
    »Daddy! Daddy! Daddy!«, rief Rees.
    »Vergesst jetzt bitte nicht, was ich euch gesagt hab, von wegen Höflichsein«, ermahnte ich beide, zu ihnen vorgebeugt. Betty verzog das Gesicht. Mit dem Mund nah an ihrem Haar flüsterte ich: »Ich hab dich lieb, Schätzchen.« Sie lächelte mir zu.
    Beim Näherkommen mussten Chloe und David uns drei dabei beobachtet haben, wie wir verschwörerisch die Köpfe zusammensteckten.
    Rees hüpfte von seinem Stuhl runter, dass der Tisch wackelte. Die Styroporbecher mit unseren Getränken schwankten gefährlich, und von Bettys lauwarmem Kakao schwappte etwas auf den Tisch. »Rees …«, fauchte sie wütend.
    »He, du!«, rief David und hob ihn schwungvoll hoch.
    Chloe kam knirschend auf dem Kies vor uns zum Stehen. »Hallo, ich bin Chloe«, sagte sie fröhlich und sah mich an, die Hände immer noch in den Taschen.
    »Hallo«, erwiderte ich ebenso fröhlich. Betty wandte den Blick ab.
    David ging zum Kiosk, um Chloe und sich Kaffee zu holen. Chloe setzte sich auf den Metallstuhl neben mich. Aus der Nähe sah ich, dass sie tatsächlich unglaublich hübsch war, elfenhaft, mit zartem Gesichtchen und großen, hellen Augen. Ihr weiter Mantel verbarg, wie weit sie in ihrer Schwangerschaft war, aber ihre Züge hatten nichts Aufgequollenes, wie es bei manchen Frauen in fortgeschrittenem Stadium vorkommt. Ein rosa Schimmer überzog ihre Haut, und ihre Augen strahlten. Dass sie sich die Wollmütze über beide Ohren gezogen hatte, verlieh ihr etwas Witziges, Abgedrehtes, aber ich konnte sehen, dass ihr Haar darunter von der Farbe brauner Briefumschläge war, in Korkenzieherlocken. Ihre Ohrringe waren kleine Silbertränen. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich mit Bedacht nicht zu schick gemacht hatte.
    Auch wenn ich sie nur kurz in Augenschein nehmen, nicht ausgiebig mustern konnte, reichte mir das, um zu erkennen, was David bei ihrer ersten Begegnung in ihr gesehen haben mochte – Schönheit und Zartheit in Verbindung mit einem zu allem entschlossenen, tapferen kleinen Lächeln. Kein Wunder, dass er ihr weder anonyme Anrufe noch Drohbriefe zutraute. Während ich sie ansah, wie sie so normal, so fröhlich dreinschaute, konnte ich es selbst kaum glauben. Ich war schwer enttäuscht. Ich hatte gehofft zu erkennen, dass sie nicht die Richtige für David war, und zu spüren, dass ihre Beziehung, Baby hin oder her, in eine Katastrophe münden würde – doch sie passten zusammen, das wurde mir klar. Ich sah ein, dass diese Frau seinen Beschützerinstinkt und seine besitzergreifende Seite ansprach.
    Ich hatte immer gedacht, David und ich würden gut zusammenpassen, doch jetzt sah ich, dass diese Dinge steigerungsfähig waren. Vielleicht waren er und ich immer wie zwei Teile aus solchen absurd schwierigen Puzzles gewesen, bei denen das Bild aus nichts als Herbstlaub besteht. Man fischt ständig neue Teile aus dem Haufen, die aussehen, als müssten sie zueinanderpassen, aber wenn man sie aneinanderlegen will, stellt man fest, dass der Übergang nicht ganz genau stimmt. Solche Puzzles gab es in dem Pflegeheim, in dem meine Mutter ihre letzten Lebensjahre verbrachte. Ich hatte immer angenommen, sie seien so schwierig gestaltet, damit Senioren lange genug zum Sterben brauchten, oder vielleicht, um ihnen einen Anreiz dazu zu liefern.
    Weil es am Kiosk keine Schlange gab, kam David bald darauf wieder. Während Chloe die Hände um ihren milchigen Kaffee legte, sah ich, dass ihre Fingernägel manikürt und durchsichtig perlmuttfarben lackiert waren. Die Hände einer Frau, die keine Kinder hat , dachte ich. Noch nicht.
    »Wenigstens ist es nicht sehr windig«, versuchte ich es.
    Eifrig pflichteten beide mir bei.
    Wir schafften ungefähr zehn Minuten vorsichtige Konversation. Rees saß die ganze Zeit über auf Davids Schoß. Betty, die sich weigerte, sich auch nur im Entferntesten zu beteiligen, kippelte gefährlich mit ihrem Stuhl und warf mir Seitenblicke zu, die besagten: Warum zwingst du mich zu dem hier? Sie trug eine rosa Daunenjacke und Jeans –

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