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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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unten. Die Wahrheit ist, dass ich mich dem Rand nicht einmal näherte. Noch bevor ich nahe genug war, um nach unten zu sehen, wich ich zurück, verängstigt und zitternd, meine Feigheit verfluchend, der festen Überzeugung, dass ein Leben voller Elend nach David meine Bestimmung war und dass ich nichts anderes verdiente.
    Als ich mich zum Gehen wandte, sah ich das Lager, eine Ansammlung von Wohnwagen, vier oder fünf davon in einer ordentlichen Reihe, die anderen aufs Geratewohl drumherum gruppiert. Die ersten paar, die in einer Reihe standen, hatten keine Kontroversen ausgelöst – sie waren vom Grundbesitzer aufgestellt und als Ferienunterkünfte gemeldet worden. Die anderen hatte man provisorisch dazugestellt; Wanderarbeiter zogen auf Wunsch des Grundbesitzers darin ein – irgendeine Abmachung, die er mit den Leitern der entsprechenden Kolonnen getroffen hatte. Aus Gründen der Bauplanung war das ein Thema für die Lokalzeitungen geworden.
    Von meinem Standpunkt aus hatte ich Einblick auf den freien Platz inmitten der bunt zusammengewürfelten Wohnwagen. Zwei Autos waren nebeneinander geparkt, beide mit offener Motorhaube, und Männer standen drumherum, musterten die Wagen, hoben immer mal wieder die Arme. Hinter den Wohnwagen sah man vier andere Autos in einer ordentlichen Reihe, drei davon gebrauchte PKW s, aber das vierte ein neu aussehender Geländewagen. Der hob sich so deutlich von den anderen ab, dass ich mich fragte, ob es einen Gruppenbeschluss gegeben hatte, sämtliche Ersparnisse in ein schickes Auto zu stecken, um nach außen mehr herzumachen, während ihre anderen Fahrzeuge ramponierte Schrottkarren waren. Dann sah ich, wie eine Frau aus einem Wohnwagen kam, ein Bündel in den Armen, den Platz überquerte, ohne von den Männern beachtet zu werden, und hinter einem anderen Caravan verschwand. Dieser kurze Einblick in fremdes Leben, so ganz anders als meines, rief mir ins Bewusstsein, wie sich meine Perspektive verengt hatte. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf, während ich mich an den Abstieg machte.
    Ich habe nichts weiter bewiesen, als dass Selbstmord keine Alternative ist, dachte ich auf meinem Weg zurück zum Parkplatz, und das wusste ich ja wohl schon vorher. Ich hatte mein Auto nicht abgeschlossen, aber niemand war in die Nähe gekommen. Um diese Zeit an einem Montagmorgen hielt sich kein Mensch hier in der Gegend auf.
    Ich ging shoppen. Ich kaufte mir Unterwäsche in dem schrillen neuen Dessousgeschäft, das aufgemacht hatte, nachdem das Wettbüro schloss, und ließ mich beim Bezahlen auf ein langes Gespräch mit der Verkäuferin darüber ein, wie vorteilhaft Kastanienbraun auf heller Haut wirkte. Anschließend bestellte ich mir in dem einzigen richtig italienischen Café an der Strandpromenade Kaffee mit Amarettosirup in einem großen weißen Becher und saß den restlichen Vormittag gut sichtbar zeitunglesend am Fenster.
    Einen Moment gab es allerdings. Dazu kam es drei Wochen später, vollkommen unerwartet. Julie passte für mich auf die Kinder auf. In der Schule fand eine Versammlung zu den neuen Lese-, Schreib- und Rechenlernmethoden statt. Normalerweise ging ich nicht zu solchen Veranstaltungen – Betty kam gut zurecht, und Rees war längst noch nicht so weit –, doch ich befand mich gerade in einer Phase, in der ich mir selber Ausgang verordnete. Ich hatte gehofft, dass ein paar andere Mütter, die ich mochte, kämen und wir danach etwas trinken gehen würden. Aber keine von ihnen war aufgetaucht, nicht einmal Sally, und alle anderen waren gleich hinterher nach Hause abgezogen.
    Es war gegen halb neun Uhr abends und schon dunkel. Wie so oft an feuchten Winterabenden hatte sich dichter Nebel auf die Stadt gesenkt. Das Auto hatte ich zu Hause gelassen, für den Fall, dass es zu einem Pubbesuch käme, und da Julie mich noch nicht zurückerwartete, bog ich am Kreisverkehr nach links in die Stadt ab. Weil ich nicht allein in einen Pub gehen wollte und es keine Alternativen gab, bis auf die Imbissbude, stieg ich die Steinstufen am Ende der Strandpromenade hinab und ging im Dunkeln auf dem Kiesstrand spazieren, ohne besonders düsterer oder grüblerischer Stimmung zu sein, nur weil ich diesmal die Freiheit dazu hatte, während ich an den meisten anderen Abenden ans Haus gefesselt war.
    Niemand sonst war in der Nähe. Das Meer versteckte sich hinter dichtem Nebel. Ich ging in die Nebelschwaden hinein, bis an den Wassersaum, blieb dann stehen und horchte.
    Da spürte ich es. Ich spürte

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