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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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feuchte Gras legen, so übel wurde mir. Ein andermal kaufte ich nach der Schule eine Dose Spezialbräu in dem Getränkeladen am Ende der Uferpromenade, weil ich einmal einen Obdachlosen diese Marke im Unterstand am Strand hatte trinken sehen und daher annahm, dass es etwas ganz besonders Verruchtes war. Ich setzte mich damit auf die Kieselsteine, aber es war kalt und windig, und das Bier schmeckte nach Spülmittel. Ich kam zu dem Schluss, dass es keinen Spaß machte, verrucht zu sein. Ich würde wohl eine Streberin bleiben müssen.
    Genau hier kam Jenny Ozu ins Spiel. Sie war das einzige Mädchen in der Klasse, das noch uncooler war als ich. Heutzutage wären wir wohl Goths oder Emos und würden unseren Sonderstatus kultivieren, doch in jenen Tagen erreichte die Populärkultur unser gottverlassenes Stück Meeresküste nur in verwässerter Form – wir waren einfach nur Außenseiterinnen. Sie hatte ausschließlich Einsen, mit nicht einmal einer Alibi-Fünf. Ich gab vor, mir nichts daraus zu machen. In der Oberstufe wählte ich schon allein deshalb eine Mischung aus naturwissenschaftlichen und sprachlichen Fächern, damit ich Biologie mit ihr zusammen haben konnte. Mich faszinierte, wie gerade ihr Pony geschnitten war. Mit mehr Fantasie hätten wir das werden können, wofür uns der Rest unseres alten Klassenverbands hielt: Teenie-Lesben; aber Sex war für uns kein Thema, und meine Bier- und Zigarettenexperimente behielt ich auch für mich – nein, Jenny und ich hatten es die gesamte Pubertät hindurch nur mit Hirnaktivitäten.
    Auf halbem Weg durch die Oberstufe kam es zwischen uns zum Bruch. Ich schloss mich einer Mädchenclique mit einer drahtigen, burschikosen Anführerin an, Phoebe, die behauptete, sie hätte einmal Stinktier gegessen und ihre Jungfräulichkeit an unseren Bademeister verloren. »Warum hängst du mit dieser freakigen Schlitzaugentussi rum?«, fragte Phoebe mich einmal vor ihren drei Freundinnen.
    »Sie ist Japanerin, oder jedenfalls ihr Vater …«, gab ich zurück, aber in anbiederndem Tonfall.
    Phoebe zuckte mit den Schultern. »Seid ihr lesbisch?«
    Ich hätte ihr eine runterhauen oder wenigstens meine Freundin verteidigen sollen, doch stattdessen zuckte auch ich mit den Schultern.
    »Cool!«, sagte Phoebe. »Ich hab immer gedacht, es muss viel mehr Spaß machen, lesbisch zu sein. Männer sind so …« Sie sah sich fragend nach dem fehlenden Adjektiv um. Die anderen drei beobachteten sie, hingen an ihren Lippen. Genau wie ich, zu meiner Schande. Phoebe hatte einen kastanienbraunen Pferdeschwanz, hohe Wangenknochen und ein Stadium der Unbekümmertheit erreicht, das sie von innen glühen ließ. Sie schien die Pubertät komplett übersprungen zu haben. »Die sind so …«, und sie wurde von einem Kicheranfall geschüttelt. »Also echt …« Wir kriegten uns alle nicht mehr ein vor Lachen.
    Danach war es mit meiner Freundschaft mit Jenny vorbei, aber ich hatte nicht den Mut, es ihr zu sagen. Stattdessen redete ich mir selbst ein, dass es in Ordnung wäre, dass all das Schlimme, das mir zugestoßen war, meine Gemeinheit rechtfertigen würde. Ab und an begegnete ich ihr in der Stadt, allein oder mit ihrer Mutter unterwegs. Wenn sie mir zulächelte, nickte ich und ging weiter. Ich wollte kein Freak mehr sein. Sondern spöttisch und glücklich, wie Phoebe und ihre Clique. Ich wollte normal sein.
    Für Jungs interessierte ich mich nicht; meine Mutter dafür umso mehr. Als ihre Krankheit diagnostiziert wurde, war ich vierzehn und nicht eben weit entwickelt für mein Alter: flachbrüstig, braunhaarig und ein Bücherwurm, ohne einen blassen Schimmer, wie man sich die Augenbrauen zupft. Jungs nahmen in meinem Leben in etwa die Rolle von Bewohnern eines weit entfernten, zerbröselnden Planeten ein: etwas, was ich unbedingt einmal durch ein Fernrohr beobachten sollte, um mir ein Bild davon zu machen, wie mit ihnen zu verhandeln wäre, falls sie zu Besuch kämen. Ob sie in freundlicher Absicht kommen würden, erschien mir ungewiss.
    Manchmal bekam Mutters Interesse einen Zug ins Morbide. »Ich will dich versorgt wissen, Häschen«, sagte sie, während sie sich ein zunächst gehäuftes, dann, an der Tasse angekommen, durch das Zittern ihrer Hände nur noch gestrichen volles Löffelchen Zucker in den Tee schaufelte, »bevor ich unter der Erde liege.«
    Damals beobachtete ich das Zittern genau. Ihr Facharzt erhöhte nach und nach die Sinemet-Dosis, und obwohl ich wusste, dass es noch Jahre dauern konnte, bis die

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