Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
vier anonyme Briefe bekommen habe, seit wir Betty verloren haben. Chloe fühlt sich bedroht. »Ich will Rees wiederhaben.«
»Natürlich, sicher, kein Problem. Wann du willst. Ich wollte dir nur etwas Zeit geben.« Er lehnt sich zurück, spricht aber weiter leise. »Wie auch immer, ich musste es dir nur mal sagen. Es ist nicht so einfach, so von wegen, ich werde von meiner neuen Partnerin mit Baby getröstet; mehr nicht. Offenbar hat sie sich wieder etwas im Griff, aber ich weiß, dass es nicht anhalten wird. Ich muss aufpassen, was ich sage. Kannst du dir das vorstellen? Ausgerechnet jetzt muss ich mich vorsehen. Weiß der Himmel, wie ich ihr den heutigen Abend erklären werde. Und es ist doch krank, dass ich unter diesen Umständen überhaupt mit irgendwelchen Erklärungen kommen muss. Man kann doch verdammt noch mal wirklich erwarten, dass sie etwas Verständnis aufbringt.« Ich bemerke die Bitterkeit in seiner Stimme.
Schnell überschlage ich im Kopf die Optionen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich möchte David das mit den Briefen erzählen, weil ich annehme, dass er mir jetzt zum ersten Mal glauben könnte. Aber was, wenn er Chloe deswegen zur Rede stellt? Mein Sohn wohnt unter ihrem Dach. Ich will sofort hingehen und mir Rees zurückholen. Doch wenn er ein wenig länger bei ihnen bleibt, nur ein paar Tage noch, kann ich tun, was ich mir vorgenommen habe.
David muss mir meine Sorgen am Gesicht abgelesen haben, auch wenn er deren Ausmaß nicht begreift. »Schau mal, mach dir bitte keine Sorgen wegen Rees, ehrlich, du glaubst doch nicht, ich würde sie auch nur eine Sekunde mit ihm allein lassen, wenn ich annehmen müsste, sie wäre dem nicht gewachsen. Mit Rees kommt sie viel besser klar als mit Harry, so verquer das auch ist. Sie mochte Rees schon immer total gern, von Anfang an. Die beiden verstehen sich prächtig. Deshalb konnte ich ja so schwer begreifen, warum sie keine Beziehung zu Harry aufgebaut hat. Ich dachte, ihr eigenes Baby würde, na ja, du weißt schon. Ehrlich, bitte, ich hätte überhaupt nichts sagen sollen. Wahrscheinlich hat es sich bei mir viel schlimmer angehört, als es ist. In letzter Zeit geht es ihr wirklich viel besser.« Das sagt er eindeutig aufrichtig, und ich bemühe mich, an den wahren Kern in seinen Worten zu glauben. »Ich wäre nie auch nur eine Minute wieder zur Arbeit gegangen, wenn ich angenommen hätte, dass sie nicht ganz beieinander ist; ich muss ja auch an Harry denken, weißt du. Und ihre Mutter kommt sehr oft und hilft ihr, obwohl das ehrlich gesagt kein reines Vergnügen ist.«
»Wirst du ihr sagen, dass wir uns heute Abend getroffen haben?«
Er schaut auf den Tisch. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre.«
»Schon okay«, sage ich, »sag’s ihr nicht.«
Sein Blick haftet lange auf dem Tisch, und ich weiß, dass seine Gedanken abgedriftet sind, weit weg von Chloe und dem Zustand ihrer Beziehung, oder unserer, oder auch nur dem Wohlergehen seiner beiden kleinen Söhne. Ich sehe ihn unverwandt an, und ich weiß, wo er ist. Dort, wo auch ich bin. Mit einem tiefen Seufzer schaut er auf und begegnet meinem Blick, und wir sehen uns in die Augen, genau wie vor all den Jahren, als wir uns das erste Mal begegnet sind, aber jetzt schwimmt so vieles andere in unseren Blicken, ganze weite Landstriche der Trauer. Irgendwann bricht er den Bann und schlägt die Augen nieder.
»Kommst du je damit klar?«, frage ich sanft.
Er sieht mich an und merkt, dass es keine Fangfrage ist, dass ich es wirklich wissen will. Er schaut auf den Tisch, den Überfluss an Speisen. Bilde ich mir das ein, oder hat der Kellner noch mehr aufgetragen, während wir in unser Gespräch vertieft waren? Das alles können wir unmöglich bestellt haben; es ist aberwitzig. Seht, hier ist das normale Leben vor euch ausgebreitet. Vorher hättet ihr darüber gelächelt. Ihr hättet es gewollt. Seht, so wird der Rest eures Lebens sein, randvoll mit Dingen, die ihr nicht mehr begehrt.
»Manchmal, ein paar Minuten lang«, sagt er schlicht. »Wenn ich morgens zu Harry reingehe, um ihn hochzunehmen, weißt du noch, wie das war, im Halbschlaf? Manchmal geh ich mit ihm auf dem Arm bis in die Küche und stelle das Fläschchen in die Mikrowelle. Manchmal komme ich so weit, bis es mir einfällt, weil ich nur halb wach bin und an seine Bedürfnisse denke. Aber bis zum Füttern schaffe ich es nicht. Es fällt mir vorher schon ein. Ich denke dran, wenn ich ihn ansehe, wenn ich ihm das Fläschchen
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